: Radio-Bremen protestiert bei Gauck
■ „Brossart“ denunzierte aus Radio-Kantine / Staatsanwalt ermittelt
Nach Bekanntwerden des Denunziationsbriefes eines angeblichen Radio-Bremen Mitarbeiters an Erich Honecker gehen bei dem Sender die Wellen hoch. Intendant Karl-Heinz Klostermeier schrieb gestern in einem Brief an die Gauck-Behörde, die Veröffentlichung des Briefes sei geeignet, den Ruf von Radio Bremen zu schädigen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sei es auszuschließen, daß der Denunziant Mitarbeiter des Senders sei.
Warum der Sender dabei so sicher ist, erklärte Pressesprecher Jochen Mangelsen: „Der Brief hat den Absender 'Brossert', bei uns gibt es keinen Mitarbeiter mit diesem Namen.“
Ein „Brossert, c/o Radio Bremen“ hatte 1988 direkt an Erich Honecker geschrieben, was er in der Kantine aufgeschnappt hatte: Der Showmaster Wolfgang Lippert habe Honecker als „senilen Betonkopf“ bezeichnet und von den DDR-Bürgern als „eingesperrte Volksgenossen“ geredet. Der Denunziant sorgte sich umn das Image der DDR: „Ihr Land hätte einen besseren Kulturbotschafter verdient.“
Die Gauck-Behörde hatte den Brief Ende Mai an die Bremer Staatsanwaltschaft weitergegeben. Dort laufen seitdem die Ermittlungen. Die Sprecherin Kirsten Graalmann-Scheerer bestägestern auf Anfrage, daß die Identität von „Brossert“ nach wie vor ungeklärt sei. Graalmann-Scheerer: „Die Staatsanwaltschaft hofft, mit Herrn Lipperts Hilfe den schreiber doch noch identifizieren zu können.“ Sollte das gelingen, droht ihm eine saftige Strafe. Nach dem Strafgesetzbuch (§ 241a) können politischen Denunziationen mit Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren geahndet werden.
Bis dahin kann es allerdings noch ein wenig dauern. Wolfgang Lippert ist in den Urlaub gefahren und nicht zu erreichen. Allerdings hat ihn Staatsanwalt von Bock und Polach schon am 10. Juni von der Existenz des Briefes unterrichtet. Lippert-Manager Wolfgang Schubert: „Wir wissen ganauso wenig wie der Staatsanwalt.“ Im übrigen sei falsch, daß Lippert 1988 seinen Job beim DDR-Fernsehen verloren habe. Schubert: „Die Denunziation ist schon ein unheimliches Ding. Aber gottseidank ist ihm nichts passiert. Det hätte ooch schlimmer ausgehen können.“ J.G.
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