»Ich bin im Osten schon so gut wie eingebürgert«

■ Westberlinerin Brunhild Dathe wurde in Hohenschönhausen zur Bürgermeisterin gewählt/ Bereits seit zwei Jahren als Gesundheitsstadträtin im Bezirk tätig/ Gegen Arbeitslosigkeit und Abbau von Kindereinrichtungen

Hohenschönhausen. »Daß ich aus dem Westen bin, stand überhaupt nicht zur Debatte. Ich bin hier schon so gut wie eingebürgert.« An Selbstbewußtsein mangelt es der frischgebackenen Bürgermeisterin von Hohenschönhausen jedenfalls nicht.

Nach mehreren mißglückten Wahlgängen in der vergangenen Woche wurde die Charlottenburgerin Brunhild Dathe vorgestern abend von der Bezirksverordnetenversammlung mit 21 Ja- und 17 Gegenstimmen von SPD, CDU und Bündnis 90 als Bürgermeisterin gewählt.

Die gelernte Krankenschwester ist kein echter West-Import, sondern bereits seit zwei Jahren im Bezirksamt Hohenschönhausen tätig — als vom Bündnis 90 aufgestellte parteilose Gesundheitsstadträtin, ein Amt, das sie bis 1989 drei Jahre lang (als Parteilose für die Alternative Liste) in Kreuzberg innehatte.

Nun ist sie die einzige West-Bürgermeisterin im Ostteil. Nach zwei Jahren Arbeit vor Ort spiele das aber keine Rolle mehr, sagt sie. »Wenn ich direkt aus dem Westen gekommen wäre, das wäre schon ein Ding gewesen.« Bei der Diskussion über ihre Wahl, für die auch sie zwei Wahlgänge benötigte, sei der »Wessi«-Vorwurf nicht einmal gekommen, erzählt sie nicht ganz ohne Stolz.

Als Bürgermeisterin Hohenschönhausens will sie mit vereinten Kräften die massiven Probleme des Bezirks angehen. Priorität hat für sie die Bekämpfung der immer noch ständig steigenden Arbeitslosigkeit. Sie werde sich dafür einsetzen, vorhandene Standorte für die Ansiedlung von Gewerbe zu nutzen. »Außerdem werden wir uns mit Treuhand und Senat anlegen müssen, weitere Standorte zu schaffen.«

Auch sonst stehen genug Probleme zur Bewältigung an. Von 120.000 Hohenschönhausern leben 80.000 im Neubaugebiet — davon wiederum ist jeder Dritte noch minderjährig. Es fehlen Sportstätten und Freizeiteinrichtungen.

»Wir müssen außerdem aufpassen, daß uns nicht die ganze Kinderversorgung wegbricht«, sagt Brunhild Dathe. Die neugewählte Bürgermeisterin fürchtet »wahnsinnige Verteilungskämpfe«. Schulraum fehlt bereits jetzt. Auf absehbare Zeit wird Hohenschönhausen mit Containern leben müssen.

Rathausintern will sich die 42jährige vor allem für mehr Frauen in leitenden Positionen sowie für »modernes Management mit demokratischem Leitungsstil« einsetzen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Gottfried Mucha, frischgewähltem Bündnis-Bürgermeister Lichtenbergs, hofft sie, »ein bißchen mehr Farbe in den Rat der Bürgermeister zu bringen«.

Da wird die Konfrontation mit dem Berliner Senat wohl nicht ausbleiben. Antwort: »Aber sicher.« jgo