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Alpen-Schlapphüte mit Presseausweis

Als Journalisten getarnt spionierten schweizerische Armee-Geheimdienstler auf der ILA 92 in Berlin-Schönefeld  ■ Aus Basel Thomas Scheuer

Bildete die sowjetische MiG-29 das Objekt ihrer Begierde — oder hatten sie eher die umstrittene Holzattrappe des mittlerweile abgeschmierten „Jägers 90“ im Fadenkreuz? Fünf schweizerische Militär-Geheimdienstler, so meldete die Presse der Alpenrepublik zum Wochenende, schnüffelten jedenfalls Mitte Juni auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA 92) auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld herum. Die schweizerische Mini-Luftwaffe unterhält einen eigenen Nachrichtendienst, die sogenannte „Sektion Flieger- und Fliegerabwehrnachrichtendienst“ (SFFND). Das lediglich 12 Mann starke SFFND-Trüppchen arbeitet eng mit dem eigentlichen Armee-Geheimdienst, der „Untergruppe Nachrichten und Abwehr“ (UNA) zusammen.

Von ihren UNA-Kollegen werden die fliegenden Spitzel von der Luftwaffe mit Neid beäugt: Jetten sie doch auf Staatskosten ständig um die Welt, um auf internationalen Luftfahrtmessen, bei Tagen der offenen Tür auf Nato-Flugplätzen und ähnlichen Anlässen „ausländische Luftkriegsmittel zu erfassen“, so ihr offizieller Auftrag.

Die hochbrisanten Informationen, die die SFFND-Agenten von ihren spesenträchtigen Trips gewöhnlich mit nach Hause bringen, urteilt ein Kritiker, könnten sie freilich genauso gut am heimischen Schreibtisch der einschlägigen Fachpresse entnehmen.

Auf der ILA 92 wurden die SFFND-Agenten ausgerechnet von ihrem eigenen Chef enttarnt: Sie liefen prompt dem schweizerischen Luftwaffenchef Fernand Carrel über die Füße. Der empörte sich mächtig darüber, daß seine Agenten ohne sein Wissen in Berlin spionierten. Er habe „kein Verständnis für solche Indianerspiele“, polterte Carrel, der jetzt die Abschaffung seiner Schnüffeltruppe prüfen läßt.

Nach den peinlichen Enthüllungen um eine 900.000 Namen umfassende Staatsschutz- Kartei, um die geheime Untergrundarmee „P26“ und um den illegalen Geheimdienst „P27“ in der Schweiz könnte man die „Indianerspiele“ getrost unter der Rubrik eidgenössische Peinlichkeiten verbuchen. Wenn die Dunkelmänner sich nicht einer besonders perfiden Agentenmasche bedient hätten: Die Alpen-Schlapphüte pflegten sich als Journalisten zu tarnen. In Berlin etwa akkreditierten sie sich als Reporter des Magazins 'Aviso‘. So heißt das interne Hausblättchen des schweizerischen Luftwaffenstabes (Auflage: knapp 500). Auf der Luftfahrtschau „Asian Aerospace“ im vergangenen Jahr in Singapur gab sich ein SFFND-Spion gar als Korrespondent des Zürcher 'Tages-Anzeigers‘ aus. Mit Spannung wird nun erwartet, welche schweizerischen „Fachkorrespondenten“ sich im September zur Luftfahrtausstellung im englischen Farnborough anmelden.

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