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Wir von der Göttin

■ Uuuuh-aaaah-ommmm: zehn Tage lang esoterisches Camping bei Walsrode

hierhin bitte das

Foto von den

Leuten, die im

Kreis auf einer

Wiese hocken

Freiluftschamanischer Zirkel bei WalsrodeFoto: GeKu

Vatter mit Feinripp-Unterhemd und Flasch' Bier, Muttern in Kittel und Badelatschen: „Ma kucken, watt hier so los is.“ Dieses ewige Getrommel, „das hattuns vorher keiner gesacht, als wer den Wohnwagen hier gemietet ham.“

Skeptischen Blickes beäugen die beiden Zirkuszelte, Djembe- Trommeln, Gebetsdecken und heilende Steine, desweiteren mehrere hundert vom Hauch der Esoterik gestreifte Workshop- TeilnehmerInnen: Zu den Vorgartenzwergen des Wohnwagenstellplatzes Vethen bei Walsrode gesellte sich in den letzten zehn Tagen das Zeltdorf des vierten „Sommercamps“ des Bremer Vereins „Gesundheit und Kultur“ zwecks esoterischen Campings.

Plötzlich stehen die beiden Urlauber Auge in Auge mit einer langen Prozession: bemalte, trommelnde, klingelnde Frauen, die kreuz und quer durch das Zelt

dorf ziehen und auf englisch „Wir alle kommen von der Göttin, wir alle kehren zu ihr zurück“ singen. Bevor die beiden eingekreist werden können, ergreifen sie die Flucht unters eigene Vorzelt.

Das Thema, zu dem 130 Workshops mit DozentInnen und KünstlerInnen aus 30 Ländern stattfanden: Bewegungskultur & Gesundsein. Zehn Tage Esoterik nonstop für fast 1.600 Leute. Zehn Tage, um den Tanz der Kulturen, Bewegungsmeditationen oder Körpertherapien kennenzulernen. Zehn Tage, um „sich angeschlossen zu fühlen an den spirituellen Strom der Dinge“, so die Veranstalter. Zehn Tage, um seine Ohren mit ununterbrochenem Getrommel zu malträtieren.

„Uuuhh!!“ und „Aaaahh..“ und „Ommmmm“ tönt es aus den Zelten. Monotoner Singsang begleitet den stilisierten Kampf der Capoeira-Gruppe. Schamanische Rituale finden auf der Wiese statt. In mindestens einer Ecke des riesigen Areals wird immer getrommelt. Woanders wird massiert und meditiert, getanzt und gesungen. Oder alles gleichzeitig. Wildfremde Menschen fallen sich um den Hals. Für zehn Tage lieben sie sich alle. An den Tischen vorm Bistrozelt gibt es tiefe Gespräche über die geerdete Energie des Camps und die neue Pampers- Windelgeneration. Deren TrägerInnen wuseln um die Zelte, üben

Bemalte, klingelnde Frauen, schamanische Bezugsgruppen, Trommeln allüberall und heilende Steine und geerdete Geistesblitze: Nonstop-Esoterik für 1.600 Leute

sich im Ju-Jutsu für Kinder oder im Bumerangwerfen.

Nach den mit Workshops ausgefüllten Tagen — die ganz Eifrigen belegen gleich zwei am Tag — geht die Session mit dem vollgestopften abendlichen Musikprogramm weiter. Kultur von möglichst weit weg fasziniert das fast ausschließlich deutsche Publikum. Die Begeisterung über das Fremde kennt keine Grenzen, in der anderen Kultur finden alle ihre wahren Wurzeln. Die 50jährige Sekretärin ebenso wie der 20jährige Freak. skai

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