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„Jenseits des Mittelstands-Vaters“

■ Niedersachsen hat seit Juli einen Referenten für Homosexuelle und ihr Belange

Hans Hengelein ist kein Referent wie jeder andere in Niedersachsens Ministerialbürokratie. Der diplomierte Psychologe und Psychiater sorgt seit Anfang Juli dafür, daß gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern zwischen Harz und Küste gesellschaftlich und juristisch immer weniger diskriminiert werden. Hengeleins Referentenposten ist eine einmalige Einrichtung in einem Flächenland — nur im Stadtstaat Berlin gibt es ein vergleichbares Referat.

Die mit 100.000 Mark Etat für das laufende Jahr finanziell nur spärlich ausgestattete Stelle soll Großes bewegen, denn nach dem Willen der Landesregierung soll es Homosexuellen künftig besser gehen. Rechtliche Benachteiligungen wie ein Heiratsverbot oder Behinderungen bei Erbschaftsfragen scheinen da noch relativ leicht zu beseitigen zu sein. Das wichtigste sei der Abbau von Vorurteilen im Bewußtsein der Menschen, formuliert Hengelein sein Programm. „Dabei ist ein Fortschritt bei der Gleichberechtigung nicht unbedingt von gewaltigen Finanzmitteln abhängig“, gibt sich der 36jährige zuversichtlich. Als Beispiel nennt Hengelein eine vorurteilsfreie Erziehung der Kinder, die freilich viel Aufklärungsarbeit erfordere.

Hengelein weiß beim Thema Vorurteilen, wovon er spricht. Seit den siebziger Jahren ist der an Kinderlähmung Erkrankte in der Behindertenbewegung aktiv. „Abgesenkte Bordsteine für Rollstuhlfahrer lassen sich schnell verwirklichen. Aber wenn es etwa um das Thema Sexualität von Behinderten geht, wird ein Mantel des Schweigens ausgebreitet.“ Erst recht bei gleichgeschlechtlicher Liebe, fügt er hinzu. Hengelein, der sich seit den achtziger Jahren bei den Grünen in Bonn und bei der Aids- Hilfe in Berlin engagierte, spricht offen über seine Homosexualität. Als Mensch und Wissenschaftler habe er sich immer für das interessiert, was von der „Norm des weißen, gesunden Familienvaters um die 40 aus dem Mittelstand abweicht“. Andre Uzulis, dpa

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