piwik no script img

Paragraph 218

■ betr.: "Die Frauen werden selbst entscheiden", taz vom 27.6.92

betr.: „Die Frauen werden selbst entscheiden“, Kommentar von Tissy Bruns, taz vom 27.6.92

[...] Für Frauen waren die von irgendwelchen ältlichen Wichsern und Jungfern getroffenen Regelungen noch nie entscheidend, unvernünftige Gesetze wurden immer massenweise übertreten. Wichtiger war immer die ethische Frage, nämlich ob ein Schwangerschaftsabbruch legitim ist oder es die Pflicht zum ungewollten Kind gibt.

Bedeutet also ein Schwangerschaftsabbruch die Ermordung eines ungeborenen Säuglings, wie es der Werner- und Mehrheitsantrag, sowie die Begründungen des Gruppenantrages suggerieren? Tissy Bruns: „Der beliebte Hinweis, es könne keinen Konsens darüber geben, wann das menschliche Leben beginnt, stimmt zwar. Aber unbestreitbar ist auch, daß Menschen, auch Frauen, zum Fötus ein anderes soziales, emotionales und moralisches Verhältnis entwickeln, wenn ein schlagendes Herz, Kopf, Arme, Beine schon in den ersten Tagen der Existenz ,sichtbar‘ gemacht werden können. Veränderte Wirklichkeit: Wir wissen über den Menschen in der ersten Zeit seiner vorgeburtlichen Existenz mehr als vor 20 Jahren.“

An diesen Sätzen ist so ziemlich alles schief. Natürlich hat sich nicht die Wirklichkeit verändert, allenfalls die Wahrnehmung der Wirklichkeit, und auch da sollte frau nicht von sich auf andere schließen. Nonsens ist auch die Behauptung, es könne keinen Konsens über den Zeitpunkt des Beginns menschlichen Lebens geben. Was es dagegen nicht geben kann, ist die ganz genaue Angabe einer klaren Grenze im Entwicklungsprozeß von der befruchteten Eizelle zum neugeborenen Säugling. Das liegt einfach daran, daß sich der Gesamtprozeß in Hunderte von Einzelprozesse auflösen läßt, die sich ergänzen, gegenseitig beeinflussen, aufeinander aufbauen und sich ablösen. Wichtig ist, daß es sich dabei nicht nur um quantitative Veränderungen eines kleinen, von Anfang an fertigen Menschen, quasi ein Aufpumpen, sondern um qualitative Veränderungen geht, daß also ein Embryo der ersten Wochen nicht mit einem kurz vor der Geburt stehenden zukünftigen Säugling gleichzusetzen ist. Bei den Organen, von denen Tissy Bruns spricht, handelt es sich allenfalls um un- oder wenigdifferenzierte Gewebepartien, die sich nach einigen Monaten zum voll ausgebildeten Herzen, Kopf und so weiter entwickelt haben werden. [...]

Embryos werden oft im zweiten oder dritten Monat auf natürliche Weise abgestoßen, wenn irgendetwas mit dem weiblichen Körper nicht stimmt. Jedenfalls ist der Fötus kein Mensch von Anfang an, ist aber im Begriff, sich zum Menschen zu entwickeln. Bei der Einhaltung der Frist von drei Monaten befindet sich frau auf der sicheren Seite und braucht bei einem Schwangerschaftsabbruch kein schlechtes Gewissen zu haben. Alle Argumente gegen Abtreibungen haben keine biologische Basis. Amelie Müller, Bielefeld

Wir bedauern die Entscheidung des Bundestages, da sie unserer Meinung nach dem Ziel, nämlich dem Schutz des ungeborenen Lebens, nicht ausreichend gerecht wird. Der hier verabschiedete Gesetzentwurf schafft nicht das nötige Rechtsbewußtsein für das Lebensrecht des ungeborenen Kindes.

Unter Medizinern und Biologen ist unumstritten, daß menschliches Leben mit der Befruchtung der Eizelle, spätestens jedoch bei ihrer Nidation beginnt.

Ausschließlich im Falle der Gefahr für das Leben bzw. für die physische oder psychische Gesundheit (z.B. als Folge einer Vergewaltigung) der Mutter, sollte es der Schwangeren möglich sein, allein über einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden. (Im Falle eines Schwangerschaftsabbruches sollte jedoch eine Narkose des Embryos gewährleistet werden!) Ansonsten überwiegt das Recht auf Leben (des Kindes) das Recht auf Selbstbestimmung (der Schwangeren). Der Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter darf nicht auf Kosten der ungeborenen Kinder ausgetragen werden.

Zwar begrüßen wir ausdrücklich die flankierenden Sozialmaßnahmen des Entwurfes, jedoch hätten wir uns gewünscht, daß der Verantwortung der Väter mehr Gewicht beigemessen worden wäre. Susanne Bork, André Meyer,

Lübeck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen