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Zensur findet nicht statt?

■ betr.: "Death Metal - Die Welt zertrümmern", taz vom 23.6.92

betr.: „Death Metal — Die Welt zertrümmern“, taz vom 23.6.92

Schwer enttäuscht war ich, als ich den Bericht über „faschistische Death Metal-Bands“ las, war es doch gerade die taz, die als einzige Zeitung zum Beispiel den katholisch-reaktionären Augsburger Pädagogikprofessor Glogauer widerlegt hat (selbst seriösen Publikationen wie dem 'Spiegel‘ scheint dieser Mann als Autorität auf seinem Gebiet recht zu sein), und es war auch die taz, die einen der wenigen Versuche unternahm, dem Mythos „Guns'n'Roses“ auf den Grund zu gehen. Um so mehr hat es mich überrascht, in eben jener taz einen Artikel vorzufinden, in dem sachlich und inhaltlich falsche Vorwürfe einer Kinderschutzorganisation gegenüber dem Genre des Heavy Metal unkommentiert stehen gelassen werden und sogar der Eindruck entsteht, die Musikzeitung 'Rock Hard‘ wäre ein faschistisches Hetzblatt. [...]

Völlig falsch wäre es, Anschläge auf Asylantenheime als Folge von HM-Konzerten anzusehen, vielmehr treten bereits heute viele Bands der Szene nicht mehr im Osten Deutschlands auf, weil die dortigen HM-Fans wiederholt von rechten Skins angegriffen wurden, auch Bühnenequipment wurde von den braunen Horden schon demoliert. Wenn diese anschließend noch Asylanten angreifen, dann kann man den Hardrockern ja wohl nicht die Schuld dafür geben — oder sollen sich die „Langhaarigen“ tatsächlich von irgendwelchen selbsternannten Saubermännern vertreiben lassen, damit der Osten frei von liberalem Gedankengut bleibt?

[...] Daß einzige, was im Zusammenhang mit diesem seit der legendären Report-Sendung (Glogauer, Mertes), größten Angriff auf eine manchen Leuten unverständliche Musikrichtung faschistisch ist, ist die Forderung, HM-Bands mit Auftrittsverbot zu belegen. Eine Zensur soll bekanntlich nicht stattfinden — der sogenannte mündige Bürger darf ja wohl noch selbst entscheiden, ob er irgendwelche Texte, die beim Death Metal aufgrund des spezifischen Gesangs sowieso meist unverständlich und durch oftmals fehlende Textbeilagen sowieso nicht nachzuvollziehen sind, in sein Gedankengut übernimmt oder nicht. Dominik Wolff,

Frankfurt am Main

[...] Den angeblichen Aufruf zur Gewalt, wie ihn Frau Jenal bei Metal- Konzerten zu entdecken glaubt, habe ich in den mindestens 30 Metal-Konzerten (darunter auch Slayer), die ich gesehen habe, noch nicht erlebt. In all diesen Konzerten habe ich erst ein einziges mal eine Schlägerei gesehen. Diese Quote ist bei Schützenfesten erheblich höher, aber trotzdem würde doch niemand auf die Idee kommen, deswegen ein Verbot von Schützenfesten zu fordern. [...]

Es hat mich fürchterlich enttäuscht, daß die taz ungeprüft und unreflektiert die Forderung von Auftrittsverboten für Bands abdruckt. Und dann auch noch von einer zumindest ominösen Organisation wie dem Verein für Friedenserziehung, deren Argumentation sehr stark an die amerikanische Zensurorganisation PMRC erinnert. Mir fällt dazu eigentlich nur ein Wort ein: Zensur! Wie könnt Ihr das eigentlich mit Eurem Selbstverständnis („Index on censorship“) vereinbaren?

Es stimmt leider in der Tat, daß es für Metalbands immer schwieriger wird, Auftritte zu bekommen. Das liegt aber nicht an gewalttätigen Bands oder Fans, sondern hauptsächlich an Vorurteilen, die durch moralistische Organisationen wie dem Verein für Friedenserziehung oder durch Presseberichte wie der berüchtigten Report-Sendung mit Berufstatsachenverdreher Mertes, den ihr ja auch schon kritisiert habt, geschürt werden. Aufgrund der Report-Sendung, die zum Großteil aus Lügen, Erfindungen und Übertreibungen bestand, wurde die Metal- Sendung Hard'n'Heavy systematisch die Fernseh- und Radiometalsendungen auf RTL plus, Radio OK, NDR und Radio FFN „plattgemacht“. Zum 1.September soll auch noch Wildside auf Radio Bremen 4 abgesetzt werden! Darüber wäre es doch mal interessant, zu berichten. [...] Michal Efler, Bassum

[...] Wenn man weiß, daß Heavy- Metal-Fans De facto Objekt des Hasses derer sind, die ihren menschenverachtenden Zielen mit gerade in der taz Tag für Tag beschriebener Brutalität gegenüber Ausländern, Linken und langhaarigen Heavy- Metal-Hörern Nachdruck verleihen, mutet der Tenor des Artikels (Heavy-Metal-Fans=Nazis) geradezu zynisch an, zumal sich die taz mit diesem Artikel in eine unheilige Allianz mit den „Law and Order“-Fanatikern von 'Bild‘ und ReportBayern begeben hat, die in den letzten Jahren allerdings mutwillig und nicht nur aufgrund von fehlender Recherche ähnlichen Nonsens publizierten. Beim „Zecken-Klatschen“ (so heißt nämlich unsereiner im Skin-Jargon) werden sich die wahren Nazis jedenfalls köstlich darüber amüsieren, wen die taz da als ihre Kampfesgenossen ausgemacht hat!

Im Interesse der Sache, nämlich einer fundierten Analyse der Symptome und Ursachen des Faschismus würde ich mir in Zukunft auch für vermeintlich nebensächliche Themen wie Heavy Metal die Aufrichtigkeit und journalistische Sorgfalt wünschen, die ich ansonsten von der taz gewöhnt bin. Christoph Ruf, Hamburg

Anmerkung des Autors:

Die LeserInnenbriefe zu meinem Artikel über den Offenen Brief einer Friedensfrau zu „Death-Metal“ füllen — zu meiner Überraschung und zur Freude von Schwarz-Schilling — ganze Waschkörbe (siehe auch taz vom 30.6./3.7.92). Als politischer Redakteur und Korrespondent dieser Zeitung und als ein (auch) von den Doors und Frank Zappa mitsozialisierter Mensch, will ich heute gerne konstatieren, daß es „Hard-Core- Metaller“ gibt, die in das von der saarländischen Friedenskämpferin Christa Jenal entworfene Szenario nicht hineinpassen — und daß Frau Jenal in ihrem Brief an Innenminister Läpple zwei Bands aus der Szene schlicht verwechselt hat.

Gegenstand dieses Artikels war der zitierte Protestbrief der Friedensfrau Jenal an den Minister (ein Politikum) — und nicht der Versuch einer Analyse der „Death-Metaller“ und ihrer Musik. Das können die Feuilleton- Redakteure dieser Zeitung sicher besser. Als radikaler Demokrat und Republikaner (ohne Anführungszeichen), der selbst ein Verbot faschistischer Parteien für eine falsche politische Entscheidung hält, würde ich niemals (!) für ein Verbot einer Musikrichtung oder für ein Auftrittsverbot bestimmter Gruppen votieren. Schließlich hat jedes Volk auch die Musik, die es verdient. Wer den Artikel aufmerksam gelesen hat weiß, daß die Verbotsforderung von Frau Jenal in ihrem Brief an Läpple erhoben wurde — alle Einlassungen wurden mit den berühmten Anführungszeichen als Zitate aus dem Brief kenntlich gemacht. Eine redaktionelle Entschuldigung geht dennoch an die Band „Mindfunk“, die in den von Jenal umrissenen Kontext sicher nicht hineingehört.

Ich werde in den nächsten Tagen ein Streitgespräch mit Frau Jenal und einem Veranstalter von „Death-Metal“-Konzerten moderieren, in dem sich dann ( hoffentlich) beide Seiten wiederfinden können: die sensiblen Friedensfreundinnen und -freunde — und all die Menschen, denen in harten Zeiten eine angemessen harte Musik — auch mit mißverständlichen Aussagen — die richtige kulturelle Antwort auf die desaströse Weltlage zu sein scheint. Klaus-Peter Klingelschmitt

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