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Der Himalaya verkommt zur höchstgelegenden Müllhalde westlicher Touristen und Bergsteiger: Die Müllspur zieht sich bis zum Basislager hoch

Die Müllspur zieht sich bis zum Basislager hoch

Katmandu (ips) — Enttäuscht senkte die Touristin den Blick und wandte sich ab. Einer vermeintlich seltenen Pflanze, die rosarot hinter den blühenden Rhododendron-Bäumen hindurchschimmerte, war sie auf der Spur gewesen. Das seltene Stück erwies sich allerdings als Toilettenpapier „Made in China“, das von einem Windstoß erfaßt und vor dem malerischen Hintergrund der schneebedeckten Himalaya-Berge in die Luft gewirbelt wurde.

Alltag auf den Gebirgspfaden Nepals, wo westliche Touristen alljährlich zu Tausenden ein Erlebnis suchen. Einzug gehalten hat mit ihnen unverkennbar der biologisch nicht abbaubare Teil des 20. Jahrhunderts: leere Konservenbüchsen, Nahrungsmittelverpackungen und Alupapier säumen die Touristenpfade auf dem Dach der Welt.

„Toilettenpapier-Tracks“ werden die Trampelpfade längst genannt. Allein während der diesjährigen Frühlingssaison der Bergsteiger hinterließen 139 angemeldete Expeditionsteams mehrere Tonnen Müll. Bis hinauf, knapp unter den Gipfel des 150 Kilometer nordöstlich von Katmandu gelegenen Mount Everest, zieht sich die Müllspur. Die Region beherbergt nicht nur den höchsten Punkt der Erde, sondern auch die höchstgelegenen Müllplätze.

Fast jede Mount-Everest-Expedition verbringt die letzte Nacht vor dem Aufstieg zum Gipfel am sogenannten Südjoch. Rostige Steigeisen, Stapel von Sauerstofflaschen, Nylonwäsche und sogar die Leichname von erfrorenen Kletterern stimmen die Bergsteiger auf die nahen Gipfelfreuden ein. Ein ähnliches Bild beim etwas tiefer gelegenen letzten Basislager des Mount Everest, wo bereits ein acht Meter hoher Müllberg angehäuft wurde.

Umweltschützer schlagen aber nicht nur wegen des wachsenden Müllproblems Alarm. Um sich warmzuhalten und zu kochen, holzen die Bergsteiger auch die Bäume ab, die ohnehin schon kaum mehr für den Brennholzbedarf der Einheimischen reichen. Edmund Hillary, der zusammen mit dem Sherpa Tenzing Norgay im Jahre 1953 erstmals den höchsten Berg der Welt bezwang, plädierte bereits für ein fünfjähriges Aufstiegsverbot. In dieser Zeit könnte der Müll weitgehend beseitigt werden, die Vegetation könnte sich erholen, meinte Hillary, der nunmehr Botschafter Neuseelands in Nepal ist.

Die Regierung in Katmandu ist auf die Devisen der Bergexpeditionen aber dringend angewiesen. Rund 50.000 Trecker und Bergsteiger besuchen Nepal alljährlich. Dazu kommen noch ungefähr 100.000 Träger. Die Gebühren für den Aufstieg zum Mount Everest wurden erst kürzlich auf 10.000 US-Dollar für ein neunköpfiges Expeditionsteam verdoppelt. Jedes weitere Expeditionsmitglied zahlt zusätzlich 1.200 Dollar. Dem Andrang tat die Gebührenerhöhung keinen Abbruch. Der Mount- Everest-Treck dürfte bis ins nächste Jahrhundert ausgebucht sein.

Die Negativschlagzeilen über das zunehmende Müllproblem im Himalaya machen den nepalesischen Tourismusmanagern aber Kopfzerbrechen. Große Teile des Landes seien nach wie vor sauber, und das wachsende Umweltbewußtsein der Touristen gebe Anlaß zur Hoffnung, daß die Verschmutzung nicht mehr in dem Maße zunehme wie bisher, so die verständliche Stellungnahme der Tourismusverantwortlichen.

Ein seltenes Geschenk hatte eine neunköpfige britische Expedition im vergangenen Monat Tourismusminister Ram Hari Joshi dargebracht. Sie übergaben der Obhut des Ministers 700 Kilo Müll, den sie vom Berg heruntergebracht hatten. Ein Expeditionsmitglied verbrachte 94 Tage in einem Mount-Everest-Basislager und verbrannte rund sechs Tonnen Abfälle. Das Beispiel der Säuberungsaktionen macht Schule.

Im nächsten Jahr will der nepalesische Bergsteigerverband (NMA) die bisher größte entsprechende Expedition im Himalaya starten. Das Ziel der Unternehmung: die Suche nach einer Methode zur systematischen Entsorgung des in den Bergen anfallenden Mülls. In den ersten beiden Jahren will der Verband 600.000 US-Dollar für das Programm aufwenden. Dhruba Adhikary

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