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Demonstranten pfeifen auf den Gipfel

Weitere Demonstrationen gegen den Gipfel in München/ Viele Festnahmen durch die Polizei  ■ Aus München Donata Riedel

München hat ein neues Symbol der Freiheit: die Trillerpfeife. Nachdem ein Untersuchungsrichter lautes Trillerpfeifen als durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sah, blies jede zweite der rund 6.000 DemonstrantInnen am späten Dienstag abend in eines der Lärminstrumente — egal ob es um Applaus für die RednerInnen oder einen Ersatz für Buhrufe ging.

Bei der Auftaktkundgebung zu einer kurzfristig organisierten Demonstration auf dem Marienplatz feierten die Gipfelgegner ihren juristischen Sieg über die bayerische Staatsmacht. SprecherInnen der Grünen erinnerten an die vergessenen Themen des offiziellen Weltwirtschaftsgipfels: die erdrückende Schuldenlast der Dritten Welt, die Zerstörung der Umwelt als Kehrseite des konsumorientierten Wirtschaftens und die Vernichtung alter Kulturen, wie die der Indianer.

Zur ersten Konfrontation mit der Poizei kam es, als sich zwei Aktivisten von Robin Wood vom Alten Peter, der ältesten Kirche Münchens, abseilten. An der Turmspitze hatten sie ein Transparent angebracht, das an das klimazerstörende Abholzen der Regenwälder erinnerte. Rund 30 Polizisten riegelten den Platz vor dem Kirchturm ab, um die beiden Männer festzunehmen. Die Festnahme der Robin-Wood-Aktivisten begründete die Polizei später mit Hausfriedensbruch und „Störung einer öffentlichen Veranstaltung“ (gemeint war die Kundgebung).

Vor dem Innenministerium am Odeonsplatz, gegenüber dem Gipfel-Pressezentrum, trafen schließlich 6.000 Männer und Frauen ein, die den Rücktritt des Innenministers Edmund Stoiber und des Münchner Polizeipräsidenten Roland Koller forderten. Zunächst hielt sich die Polizei für Münchner Verhältnisse sehr zurück. Bis ein „Amischlitten“ (so einer der Demonstranten) den Hofgarten verließ. Eine Gruppe DemonstrantInnen rannte sofort auf das Auto zu — das Zeichen für die Polizisten, ihre Mützen gegen Helme zu vertauschen und bewaffnet mit Schilden und Knüppeln eine Kette vor der Feldherrnhalle zu bilden. Daß die Demonstranten sofort stehen blieben, nützte ihnen wenig: Die Polizei trieb sie im Laufschritt zurück, einzelne Beamte setzten dabei auch ihre Knüppel ein. Insgesamt wurden 13 Personen kurzzeitig festgenommen. Eine weitere Knüppelszene gab es, als ein 15jähriger Junge versuchte, den Mast der Weltwirtschaftsgipfel- Flagge zu erklettern und andere Demonstranten seine Festnahme verhindern wollten.

Gestern nachmittag begann eine weitere Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel und die brutalen Polizeieinsätze. Dabei nahm die Polizei weitere 40 Gegner des Wirtschaftsgipfels fest. Sie hätten Trillerpfeifen und Steine bei sich getragen, lautete die offizielle Begründung. Wen oder was die Gipfelgegner „stören“ wollten, sei noch unklar.

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