: Drei Grundschulen für Irakisch-Kurdistan
■ Das Berliner Kurdistan-Komitee und der Asta der FU wollen in den zerstörten Dörfern der Provinz Dohuk drei Schulen für zurückgekehrte kurdische Kinder aufbauen/ Noch fehlt ein Teil des Geldes/ Im September sollen die Schulen stehen
Berlin. »Wir werden hierbleiben und unser Dorf und unsere Häuser wiederaufbauen.« Das verkünden — fernab von Berlin — kurdische Frauen in dem 40-Familien-Dorf Kani Balav selbstbewußt. Sie sind nach den Giftgasangriffen Saddam Husseins in ihre Heimat in den Bergen der Provinz Dohuk in Irakisch- Kurdistan zurückgekehrt. Nichts steht dort mehr, die Menschen leben in provisorischen Häusern oder Zelten. Nur die Schutthaufen deuten darauf hin, daß hier vor den brutalen Angriffen irakischer Truppen eine intakte Dorfgemeinschaft mit Häusern, Läden und einer Schule gelebt hat. Die meisten der vor den Angriffen geflohenen oder deportierten Kurden sind bis heute nicht zurückgekehrt, sondern leben noch in den großen Flüchtlingslagern oder bei Familienangehörigen. Der Dorfälteste Melku Daout Audish weiß, daß den kinderreichen Familien, die wegbleiben, vor allen Dingen eine Schule im Dorf fehlt. Weit und breit gibt es keine Bildungsmöglichkeit, ein Desaster nicht nur für die Kinder, sondern auch für die kurdische Kultur und Sprache.
Gäbe es in Kani Balav eine Schule, würde dort Ende September das neue Schuljahr beginnen. Um diese Utopie zu verwirklichen, reiste die Berlinerin Ulrike Hoffmann vier Wochen durch die irakisch-kurdischen Berge. Als Vertreterin des Berliner Kurdistan-Komitees und des Asta der FU zog sie, begleitet von der KRO, einer Kurdischen Wiederaufbauorganisation, durch die zerstörten Dörfer, um sich ein Bild der desolaten Lage vor Ort zu machen und Standorte für drei Grundschulen zu suchen. Die Idee, in Irakisch-Kurdistan Bildungsarbeit zu leisten, entstand im vergangenen Jahr, als ein Asta-Hilfskonvoi nach dem Ende des Golfkriegs in das Kriegsgebiet gereist war. Zunächst sollen dort nun drei Grundschulen für etwa 360 Kinder entstehen — nicht nur aus humanitären, sondern auch aus politischen Gründen, um stabilisierend auf die Zukunft des kurdischen Parlaments einzuwirken. Hussein, so die These, werde es kaum möglich sein, an der internationalen Öffentlichkeit vorbei Giftgasangriffe auf Orte zu wiederholen, die mit ausländischem Geld wiederaufgebaut wurden.
Die Orte, die Ulrike Hoffmann ausgewählt hat, sind gerade einmal drei von 4.000 zerstörten Dörfern. Barushke, Kani-Balav und Meska liegen außerhalb des Einzugsbereichs von geplanten Großprojekten. Alle drei Dörfer sind auf einer Straße zu erreichen und bereits wieder an die Wasserversorgung angeschlossen. Ein Teil der Wohnhäuser wurde bereits wiederaufgebaut. »Die Leute haben uns alle gesagt, daß sie in der Lage sind, sich selbst zu versorgen«, erzählt Ulrike Hoffmann. Besonders beeindruckt habe sie das Selbstbewußtsein und der Lebenswille der kurdischen Bevölkerung. »Einen derartigen Grad an Zerstörung kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Es ist der helle Wahnsinn.«
110.000 Mark sollen die drei Schulen mit jeweils sechs Klassen kosten. 20.000 Mark stehen bereits aus Spenden und Asta-Geldern zur Verfügung. Auch die Berliner Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit der Senatsverwaltung für Wirtschaft signalisierte Bereitschaft, 30.000 Mark zu übernehmen, sofern die Restfinanzierung gesichert sei. Das Kurdistan-Komitee hofft nun, das restliche Geld möglichst schnell zusammenzubekommen, damit der Schulbetrieb auch tatsächlich zum Winterhalbjahr aufgenommen werden kann. Die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder wollen Asta und das Komitee zusammen mit der KRO vor Ort sicherstellen. Für die Schulen in Kurdistan Lehrer zu finden sei kein Problem, so Hoffmann. »Durch die Zerstörung sind massenhaft kurdische Lehrer arbeitslos geworden.«
Sollten die Bauten erst einmal stehen, haben das Komitee und der Asta weitergehende Pläne. So könnten in den Räumen auch Alphabetisierungskurse für Frauen abgehalten werden oder Aufklärungsunterricht und Gesundheitskurse. »So wie es da unten aussieht, müßten die Räume eigentlich rund um die Uhr genutzt werden.« Jeannette Goddar
Spenden für den Aufbau sind willkommen. Stichwort: Kurdistan-Projekte des AStA-FU, Berliner Sparkasse, Konto-Nr. 1020007717, BLZ 10050000.
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