: Linke Romantik und leere Taschen
■ Die Ländervereinigung ist wünschenswert, doch ohne Geld aus Bonn bleibt der Plan ein unvertretbares Abenteuer
Die augenblickliche Debatte um die Herausbildung eines gemeinsamen Landes Berlin-Brandenburg ist äußerst verwirrend. In beiden Ländern haben sich die Parlamente fast einstimmig für das neue gemeinsame Land ausgesprochen. Es gibt keine gesellschaftliche Kraft, die die Vorteile eines gemeinsamen Landes nicht herausstellt. Allein schon vom Blick auf die Landkarte, in der die große Stadt Berlin mitten im Land Brandenburg liegt, macht überdeutlich, daß es in Zukunft eine sehr enge wirtschaftliche, verkehrsmäßige, kulturelle, bildungsmäßige Verflechtung der beiden Länder geben wird. Dies ist auch aus alternativer Sicht wünschenswert.
Diese zunehmende Verflechtung der beiden Regionen braucht eine bewußte gesellschaftliche Steuerung und darf nicht nur als naturwüchsiger Prozeß den Marktmechanismen überlassen werden. Gerade aus der Fehlentwicklung der großen europäischen Städte, die zu einer Verödung der Stadtzentren und zu einem gigantischen Pendleraufkommen mit dem Umland geführt haben, sollten wir lernen. Aus der Position einer gemeinsamen Landesregierung, in der sowohl die ländlichen als auch die städtischen Interessen gleichberechtigt vertreten sind, läßt sich dieser jetzt anstehende Umwandlungsprozeß sehr viel besser beeinflussen als zwischen zwei konkurrierenden Landesregierungen. Nur wenn sich Städter und Dörfler in gemeinsamen Gremien wie Parlament und Regierung miteinander beschäftigen müssen, kann ein Lernprozeß in Gang gesetzt werden, der eine neue Identität als Berliner in Brandenburg herausbildet.
Ich halte es für einen sehr spannenden Prozeß, wenn in einem gemeinsamen Land die Großstädter auch mit den Problemen von ländlihen Regionen, beispielsweise den Umstellungsprozessen der landwirtschaftlichen Produktion, beschäftigen müssen und wenn gleichzeitig die ländliche Bevölkerung direkter mit der schrillen und bunten Welt der Großstadt konfrontiert wird. Aus diesem Grunde halte ich die romantischen Vorstellungen von Mitgliedern der Alternativen Liste oder die ähnlichen Forderungen der Brandenburger Regierung, die davon ausgehen, daß bei einer gemeinsamen Länderbildung die Metropole Berlin wieder in einzelne kleine Gemeinden aufgelöst wird, für rückständig. Es würde die städtische Kultur zerstören. Gleichzeitig hätten die mächtigen Wirtschaftsinteressen noch leichteres Spiel, ihre Sonderwünsche gegen die dann im Siedlungsgebiet von Berlin konkurrierenden einzelnen Gemeinden durchzusetzen.
Vor der Vereinigung kommt die Einigung mit Bonn
Auch wenn gerade aus alternativer Sicht sehr vieles für ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg spricht, so müssen dabei die gesetzlichen und finanziellen Randbedingungen sorgfältig vorbereitet werden. Mit Hurrapatriotismus ist dabei niemand geholfen. Unter den jetzigen finanziellen Rahmenbedingungen ist beispielsweise eine gemeinsame Länderbildung nicht zu unterstützen.
Als Beispiel: Das Land Berlin erhält dieses Jahr 13,2 Milliarden Mark aus dem Bundeshaushalt (Bundeshilfe). Diese 13,2 Milliarden Mark sollen bis 1995 abgebaut werden. Nach 1995 soll dann das Land Berlin in den Länder-Finanzausgleich einbezogen werden. Die Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs für alle West-Länder beträgt aber 1992 nur 10,9 Milliarden Mark. Das Land Brandenburg erhält aus dem Fonds Deutsche Einheit 1992 etwa einen Betrag von 5 Milliarden Mark.
Die augenblickliche gesetzliche Regelung nach dem Einigungsvertrag geht davon aus, daß sowohl der Fonds Deutsche Einheit als auch der Bundeszuschuß für Berlin bis 1995 ausläuft und dann eine Länder-Finanzausgleichsregelung neu geschaffen wird. Aus den aufgezählten Milliardensummen wird überdeutlich, daß eine neue Regelung des Länder-Finanzausgleichs unter Einbeziehung der Ost-Länder und des gemeinsamen Bundeslandes Berlin- Brandenburg ohne finanzielle Unterstützung des Bundes völlig unrealistisch ist. Aufgrund der spezifischen gesetzlichen Grundlage des Länder- Finanzausgleiches würde dann Berlin durch den Verlust des Stadtstaatprivilegs bei einem gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg noch einmal 3,8 Milliarden Mark riskieren.
Die finanziellen Probleme eines Stadtstaates Berlin sind unter den jetzigen Rahmenbedingungen schon kaum lösbar. Sollten sich diese Rahmenbedingungen nicht ändern, dann wäre ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg ein nicht zu vertretendes Abenteuer. Aus diesem Grunde müssen vor der Grundsatzentscheidung über ein gemeinsames Bundesland die Hausaufgaben der Finanzpolitik nachvollziehbar gelöst sein. Dies geht nur mit Hilfe des Bundes. Sollte der Bund dafür keine Bereitschaft zeigen, dann kann die Bildung eines gemeinsamen Landes nicht unterstützt werden. Es wäre ein noch chaotischerer Prozeß als der Weg in die deutsche Einheit. Bernd Köppl
Der Autor ist Mitglied des Abgeordnetenhauses für das Bündnis 90/ Grüne
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