: Beteiligung am Geschäft, heißt das Zauberwort-betr.: "Wider den Populismus" von Antje Vollmer, taz vom 21.5.92, "In der Legitimitätsfalle" von Reinhard Klimmt, taz vom 15.6.92, "Risikodiskussion" von Heiner Geißer, taz vom 29.6.92
Betr.: „Wider den Populismus“ von Antje Vollmer, taz vom 21.5.92, „In der Legitimitätsfalle“ von Reinhard Klimmt, taz vom 15.6.92, „Risikodiskussion“ von Heiner Geißler, taz vom 29.6.92
„Die Aufgabe, Geist und Macht miteinander zu versöhnen, liegt in Deutschland noch vor uns“, resümiert Heiner Geißler. In der Gefahr, die Antje Vollmer beschreibt: Politik machen wird zum Selbstläufer, stecken wir seit geraumer Zeit. Was Reinhard Klimmt erkennt: „Fast alle Spitzenpolitiker leiden unter Erfahrungsentzug“ — diese Krankheit erleben die demokratisch verfaßten Völker seit eh und je.
Unter welchen Bedingungen kann es überhaupt demokratisches Leben geben? Ganz gewiß nicht unter dem Dach der Sachungerechtigkeit, womöglich im Wettbewerb mit einem System, das sich im gnadenlosen Kampf um Absatzmärkte einredet, es sei allein seligmachend.
Wenn Macht in Sinnlosigkeit, Unterlassung und Gewalt umschlägt, dann fehlt es nach Erfahrung unserer Mütter und Väter an Geist. Nicht nur an differenzierendem Geist, sondern auch an Lebensweisheit, wie sie jedem zuteil wird, der einerseits in Lebensprozessen steht und andererseits „bei sich“ ist. Beides setzt voraus, daß dies genügend grundgelegt ist. Mit den Schulsystemen in den nördlichen Breiten geschieht dies nicht in ausreichendem Maße. Aus ihm kommen Frauen und Männer, die die Welt nach „richtig“ und „falsch“ einteilen und seit den letzten 20 Jahren das dazwischen schieben, „was beliebt“. Aber man zieht hierzulande die Zwangsjacke auch beim Spielen nicht aus, man kann sich ihrer nur durch Arbeitslosigkeit entledigen. Der nicht wiedergewählte Politiker hat die Chance, wieder Mensch zu werden.
Beim Müll läuft nichts ohne die Mobilmachung des Volks. In seiner Hand liegen die Scherben eines Spiels, das mit dem Dampf des Mißtrauens betrieben wird. Der Dampferzeuger bekommt seine Energie nicht von der Sonne (der Liebe und) des sokratischen Zusammendenkens. Dazu gehört: Zeit. Solange diese aber Geld treibt und nicht Geist wachruft, wird demokratischem Handeln der Boden entzogen, wird Macht zum Selbstzweck. Dagegen: Wieviel Mitglieder haben die Volksparteien? Durch was entwickelt sich politischer Wille im Volk? Die Erfahrung lehrt, daß dies nur auf vertrauensvollem Wege sinnvoll möglich ist. Beteiligung am Geschäft, heißt das Zauberwort. Packen wir's an? Gisela Canal, Ulm
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