Keine Zahlen über rassistische Straftaten

Bundesländer weigern sich, einen „Sondermeldedienst“ für ausländerfeindliche Straftaten einzurichten  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) — Während das Bundeskriminalamt (BKA) angesichts der Vielzahl von rassistisch motivierten Straftaten betont, daß es „keinen Grund zur Entwarnung“ gebe, weigert sich die Bundesregierung hartnäckig, monatliche Zahlen über solche Straftaten und daraus resultierende Ermittlungsverfahren zu veröffentlichen. Innenstaatssekretär Eduard Lintner (CSU) beruft sich dabei auf das „ablehnende Mehrheitsvotum der Bundesländer“, einen vom BKA nach den Vorfällen von Hoyerswerda angeregten „Sondermeldedienst“ einzurichten.

Einen Monat nach den pogromartigen Vorfällen in der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda forderten die Innen- und Justizminister der Länder auf einer gemeinsamen Sondersitzung am 17. Oktober letzten Jahres in Bonn, daß die „Erkenntnislage zu den Tätern und ihren Motiven noch lückenhaft und daher dringend verbessert werden“ müßte. Dazu hielten es die Minister für notwendig, den „bundesweiten Informationsaustausch“ zu verbessern und zur Verhütung weiterer Straftaten und Abschreckung potentieller Täter eine „gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Justiz über Strafverfolgungsmaßnahmen (Verhaftungen, Anklagen)“ zu betreiben. Das BKA hatte ein automatisiertes Meldeverfahren zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, einen sogenannten „Sondermeldedienst“, angeregt. Zum Jahreswechsel lehnte jedoch die Innenministerkonferenz den BKA-Vorschlag ab, obwohl bis heute kein Abflauen der rassistisch motivierten Straftaten zu vezeichnen ist. Auf entsprechende Anfragen der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke gab Staatssekretär Lintner kund, daß im Januar 150, im Februar 145, im März 107 und im April 127 ausländerfeindlich motivierte Straftaten und in diesen vier Monaten 85 Brandanschläge begangen worden sind. Seither verweigert Lintner die Auskunft, zunächst mit der Begründung, daß sich die Bundesregierung „nicht veranlaßt sieht, eine detaillierte Aufstellung monatlich zu erarbeiten und zu veröffentlichen“.

Auf Nachfrage von Jelpke führte Lintner dann aus, daß das Informationsbegehren nicht „am mangelnden Willen der Bundesregierung, sondern vielmehr am Tatsächlichen“, also am fehlenden Sondermeldedienst, scheitern würde.

Die vom Bundeskriminalamt in der Zwischenzeit veröffentlichten Zahlen, wonach in den ersten vier Monaten des Jahres über 1.000 rassistische Straftaten begangen worden seien und von Januar bis März eine Steigerungsrate von 400 Prozent gegenüber dem Vorjahr vorliege, bezeichnete Lintner wegen „der vielen Ergänzungsmeldungen“ als „wenig aussagefähig“.

In einer kleinen Anfrage will Jelpke nun wissen, warum Lintner das Problem der Aussagefähigkeit „erst jetzt nach der fünften Anfrage zu diesem Komplex“ als Begründung anführt und wieso die Innenminister die Einrichtung eines „Sondermeldedienstes“ abgelehnt hatten.