: Sammelappell ohne Bürgerbewegung
Schon vor der Gründung der ostdeutschen Sammlungsbewegung steht das Projekt unter Beschuß/ Kritik von Vera Wollenberger/ Geringe Unterstützung durch alte Bürgerbewegung für die Initiative ■ Von Claus Christian Malzahn
Berlin (taz) — Jetzt kommt Leben ins Sommerloch: Die von Gysi und Diestel angekündigte ostdeutsche Sammlungsbewegung ist schon vor ihrer offiziellen Gründung heftig umstritten. Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Wollenberger warf PDS-Chef Gysi gestern vor, „einen Keil zwischen Ost und West“ treiben zu wollen. Die Sammlungsbewegung werde „kein einziges ostdeutsches Problem lösen, sondern neue schaffen“, sagte sie im Saarländischen Rundfunk. Wollenberger sprach sich zwar für die Idee einer organisierten Ost-Interessenvertretung aus, aber nicht unter „der führenden Rolle der SED, auch wenn sie PDS heißt“.
Den Aufruf zur Gründung des Politprojektes hatten bis Mittwoch 59 Prominente aus Ost und West unterschrieben. Bis auf die Aktivistin des Unabhängigen Frauenverbandes Christina Schenk hat allerdings kein Mitglied der ehemaligen Bürgerbewegung der DDR seinen Namen auf die Liste setzen lassen.
Der ehemalige Vorsitzende der Jungen Sozialdemokraten in der DDR, Arne Grimm, hatte es ebenfalls abgelehnt, den Aufruf zu unterzeichnen. Grimm stimmt den Initiatoren in ihrer politischen Lagebewertung zwar „im wesentlichen zu“, glaubt aber, daß eine Ost-Bewegung die Ressentiments auf beiden Seiten nur verstärke und von den eigentlichen Problemen ablenke. Da überparteiliche Gespräche zu ostdeutschen Problemen in Bonn bereits stattfänden, sei es sinnvoller, diese Bemühungen auszubauen.
Während führende UnionspolitikerInnen wie Angela Merkel das Projekt als „billige Demagogie“ abtaten und dem CDU-Mitglied indirekt mit Parteiausschluß drohten, verteidigte der brandenburgische Altbischof Forck die Initiative. „Wir müssen die Bürger in den neuen Ländern aufrütteln!“ sagte er der 'Mitteldeutschen Zeitung‘. Als ein Hauptziel der „Komitees für Gerechtigkeit“ nannte Forck „das Anprangern von Fehlentscheidungen bei Treuhand-Verkäufen“. Forck ist einer der Erstunterzeichner des Aufrufs.
Die UnterzeichnerInnen
Der Aufruf wurde bisher von 49 Männern und 10 Frauen unterschrieben, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen. Aus der Kirchen- und Theologenszene unterstützen unter anderen Prof. Dr. Dorothee Sölle, Pfarrer Heinrich Albertz und der Ex-Präsident der Humboldt- Uni Heinrich Fink und der katholische Gegenpapst Eugen Drewermann das Projekt. Auch mehrere Schriftsteller haben sich beteiligt, beispielsweise Max von der Grün, Heiner Müller, Stefan Heym, Gerhard Zwerenz und Stephan Hermlin. Aus dem Jammertal der Liedermacherszene beteiligen sich Ina Deter, Stefan Krawczyk, Barbara Thalheim, Hannes Wader und Bettina Wegener.
Auch die Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Dietrich Kittner unterstützen die Sammlungsbewegung mit ihrem Namen. Aus der Politik stammen, neben Diestel, folgende Unterzeichner: Günter Maleuda, letzter Chef der DDR-Bauernpartei und ehemaliger Präsident der Volkskammer, sowie der Berliner SPD- Bezirkspolitiker Dankwart Brinksmeier. Auch zwei Journalisten wollen den Ossis auf die Sprünge helfen: Der taz-Chefredakteur Michael Sontheimer sowie der Autor des Satiremagazins Titanic, Bernd Fritz.
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