: Die Evolution der Kuchenform
■ Ariane Kolkmann, Frisbee-Nationalspielerin, über Wunderscheiben fürs Leben
Ariane Kolkmann: Richtige Frisbee-Philosophen rühren sogar ihr Müsli in der Scheibe anFoto: Oberheide
Rund fünf Millionen Deutsche besitzen nach Schätzung der „European Flying Disc Federation“ (EFDF) ein Frisbee. Doch die wenigsten wissen, daß das Werfen und Fangen der schnellen Flieger sich auch in Deutschland inzwischen zu einer eigenen Sportart gemausert hat.
Angefangen hat alles 1948 in Connecticut, USA: Dort verkaufte nämlich die Großbäckerei „Frisbee Cake Inc.“ ihre Backwaren auf runden Kuchenblechen. Es dauerte nicht lange, bis die Kids am Badestrand von Milford die hervorragenden Flugeigenschaften der leergegessenen Backformen erkannten und sie mit der Öffnung nach unten einander zuwarfen: die Geburtsstunde des Frisbee.
StudentInnen griffen das Kinderspiel mit der fliegenden Kuchenform auf und entwickelten es
hierhin bitte das
Foto von der
blonden
Frisbee-Spielerin
zu einer eigenen Sportart, die Ende der 70er Jahre auch Deutschland erreichte.
Das Städchen Rotenburg an der Wümme, 45 Kilometer von Bremen entfernt, wurde eine der deutschen Hochburgen des Frisbee-Sports. Die 27jährige Ariane Kolkmann aus Jeersdorf bei Rotenburg zum Beispiel ist bereits seit neun Jahren dabei und hat es bis zur Nationalspielerin gebracht: „Es ist ein lockeres, aber gleichzeitig sehr leistungsorientiertes Spiel“, erzählt sie, „außerdem sind die Frisbee-Spielerinnen und -Spieler ein besonderer Schlag Leute, die gern lachen, offen für Neues und immer bunt angezogen sind.“
Außergewöhnlich ist der Frisbee-Sport in der Tat: Alle Turniere, sogar die Europa- und Weltmeisterschaften werden ohne Schiedsrichter ausgetragen.
Denn: „Fairneß ist das oberste Gebot“, erklärt die Nationalspielerin. Passiert doch mal ein Foul, klären die betroffenen SpielerInnen den Sachverhalt einfach unter sich.
Beim Frisbee-Spiel versuchen zwei siebenköpfige Teams, auf einem 105 Meter langen Spielfeld die Flugscheibe dem Gegner abzujagen — dafür gibt's dann einen Punkt. Gespielt wird je nach Vereinbarung entweder nach Punkten oder nach Zeit. Der „handplot“ — das Abfangen der fliegenden Scheibe in der Luft — ist die eleganteste und schwierigste aller Möglichkeiten, Punkte zu machen.
Ein gutes Gefühl für die Scheibe, schnelles Sprinten, hohe Sprünge und die richtige Nase für den Wind — all das ist beim Kampf um den schnellen Flieger gefragt. „Ein gutes Timing, nämlich zum richtigen Zeitpunkt dort zu sein, wo die Scheibe runterkommt, ist das wichtigste beim Frisbee-Spielen“, weiß Ariane Kolkmann aus Erfahrung.
Obwohl im Deutschen Frisbee- Sportverband (DFV) 55 Vereine mit so blumigen Namen wie „Gummibärchen“, „Frizzly Bears“ oder „Funatics“ und insgesamt rund 1.000 SpielerInnen organisiert sind, ist es um die Frauen immer noch schlecht bestellt. In nur wenigen Vereinen bestehen überhaupt eigene Frauen-Teams, die auf Turnieren antreten könnten, und in den als offene Teams geltenden Herrenmannschaften werden Frauen nicht immer gern aufgenommen.
„In Rotenburg ließ man mich zuerst drei Jahre lang auf den Turnieren nicht mitspielen“, erzählt Nationalspielerin Ariane Kolkmann, „die wollten unbedingt gewinnen und sahen mich dabei als Hindernis.“ Manche Teams setzen nur dann Spielerinnen ein, wenn auch die gegnerische Mannschaft Frauen mitspielen läßt. „Aber wenn du dann nicht angespielt wirst, hast du auch schnell keine Lust mehr.“
Doch meistens ist es ganz anders: Spaß am Spiel geht über alles, die „Spirits“ sind „high“ und das Miteinander beim Frisbee- Sport steht im Mittelpunkt. Die knallbunten Scheiben fliegen nicht nur über das Spielfeld, sondern auch die morgendlichen Cornflakes oder Müslimischungen werden aus Frisbee-Scheiben verspeist — denn Frisbee-Spielen ist eine Art Lebensphilosophie. Ohne Frisbee-Scheibe geht Ariane Kolkmann nie aus dem Haus: „Wir sind noch viel zu wenige, und ich versuche deshalb immer wieder, neue Leute für das Frisbee-Spielen zu begeistern.“ Silke Mertins
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen