: Grufti-Steuer für Bummelantenan der Uni
■ Finanzsenator will Langzeit-StudentInnen zur Kasse bitten/4500 von 60 000 Nachwuchs-AkademikerInnen brauchen mehr als 15 Semester/Ein "menschlich-psychologisches Problem"
zur Kasse bitten / 4500 von 60000 Nachwuchs-
AkademikerInnen brauchen mehr als 15 Semester/ Ein »menschlich-psychologisches Problem«
Pfennigfuchser Wolfgang Curilla (SPD) ist einer neuen Geldquelle auf der Fährte. Diesmal hat es der Finanzsenator auf die LangzeitstudentInnen abgesehen. Wer in den ohnehin überfüllten Hochschulen Studienplätze blockiere und überdies Vergünstigungen bei Bus, Bahn, Theater und Krankenkassen in Anspruch nehme, der soll künftig eine Gebühr entrichten. Diese Idee stößt aber nicht nur in den Hochschulen, sondern auch in der Wissenschaftsbehörde auf Widerwillen. Dort prüfen ExpertInnen — wie vom Senat befohlen — derzeit zwar die Grufti-Steuer, doch hält man sie aus sozialen Gründen und wegen der hohen Verwaltungskosten für unsinnig.
Tatsächlich hat Stadtsäckel- Wächter Curilla ein halbgares Ei ins Polit-Nest gelegt. Unklar ist zum Beispiel, wer überhaupt in die Kategorie „Bummelant“ fällt. Soll der Schnitt etwa schon nach der Regelstudienzeit (meist zehn Semester) gesetzt werden, die kaum jemand einhalten kann, weil die Studienbedingungen bekanntermaßen schlecht sind? Oder willkürlich nach dem 14. Semester, weil sieben Jahre einfach genug sind? Immerhin 18000 der ingesamt 60000 Hamburger StudentInnen kreisen länger als 13 Semester in der Vorläufigkeit, 4500 von ihnen länger als 15 Semester. Wenn diese zur Kasse gebeten würden, käme schon ein
erkleckliches Sümmchen zusam-
1men. Doch in den Augen der Hochschulen hieße das, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. An der Uni Hamburg beispielsweise, von deren 42000 StudentInnen immerhin sieben Prozent über 20 Semester im Schoß der Alma mater verweilen, betrachten die BeraterInnen die Langzeitstudenten-Problematik mehr als mensch-
lich-psychologisches Phänomen. „Die meisten finden den Absprung
nicht“, so Sprecher Jörg Lippert. Zudem haben Untersuchungen in jüngster Zeit den Beweis erbracht, daß die meisten Bummler beileibe keine Faulpelze sind: immer mehr verbinden akademische Ausbildung und Beruf. Andere wiederum müssen nebenbei jobben, um sich über Wasser zu halten. Die Zahl der Bafög-Geförderten ist in den vergan-
genen zehn Jahren um zehn Prozent gesunken.
Currilla würde also mit seiner neuen Regelung soziale Härten provozieren. Falsch ist im übrigen die Annahme des roten Sparsenators, Uni-Grufties sahnten günstige Tarife bei den Krankenkassen ab. Bereits seit Januar 1989 gilt nur noch für solche StudententInnen der Billig-Satz von etwa 65 Mark, die das 14. Fachsemester nicht überschritten haben und nicht älter als 30 Jahre sind. Sigrun Nickel
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