MIT PRIVATISIERERN AUF DU UNND DU: Ein Klumpfuß in der Tür
Italien verprivatisiert sich — diesmal entschlossen ■ Aus Rom Werner Raith
Grimmige Entschlossenheit, verbissene Hektik: die ersten Schritte der Regierung Amato scheinen zumindest jenen Hoffnung zu geben, die sich eine Image-Verbesserung der italienischen Administration erhoffen. Beim G-7-Gipfel wie in Brüssel hat der neue italienische Regierungschef seine Vorhaben offengelegt und das uneingeschränkte Plazet der internationalen Geldelite erhalten. Kernstück: die Privatisierung nahezu aller Staatsliegenschaften und -firmen, von denen die meisten seit den fünfziger Jahrem sozialisiert sind.
Dabei hat Amato zunächst wohl wirklich ein Kabinettstückchen vollbracht: Hieß es früher, die Privatisierung müsse erst monate-, wenn nicht jahrelang vorbereitet werden, so schaffte der Neue den ersten wichtigen Schritt innerhalb von vierzehn Tagen. Seit Anfang der Woche werden Anteilsscheine für die vier größten Staatsholdings IRI, ENI, ENEL und INA ausgegeben. Gut ein Fünftel des Eigentums soll so noch dieses Jahr in Privathand übergehen, im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre soll die Quote bis 45Prozent betragen.
Die Konzerne, vom Energiesektor bis zu Versicherungen mit zusammen fast einer Viertelmillion Personal, sollen danach ganz in Aktiengesellschaften umgewandelt und so dem freien Markt unterworfen werden.
Die Privatisierung soll nicht nur sofort Geld einbringen (umgerechnet 15 Milliarden DM), sondern auch die überwiegend durch politische Mißwirtschaft recht instabilen Firmen durch privates Management zu neuer Blüte führen. Das würde dem Staat, der Mehrheitseigentümer bleibt, neue Einnahmen verschaffen. So könnte sich, weitere Hoffnung, die Privatisierung als Antriebsriemen für den dringend herbeigesehnten Wirtschaftsaufschwung erweisen.
Soweit die Theorie. Praktisch allerdings erkennen Insider allenfalls den guten Willen Amatos an, ansonsten herrscht vornehme Zurückhaltung: Zwar sei erstmals, so der Industriellenverband, wirklich ein Schritt zum Verkauf auch attraktiverer Staatsfirmen gemacht — ein Seitenhieb auf die Versuche der vergangenen Jahre, vor allem pleitenahe Konzerne wie die Stahlindustrie zu verhökern. Doch damit sei noch keineswegs das Mißtrauen ausgeräumt, das durch eine andere Aktion vor zwei Jahren gesät wurde: Damals hatte die Regierung die gesamte Chemieindustrie zu verkaufen versprochen und im Ferruzzi-Konzern auch einen sofort zahlungswilligen Käufer gefunden.
Doch dann hatten die Politiker die bisherige Macht (und vor allem die Posten) in der Staatsholding nicht hergeben wollen und so viele Schikanen aufgebaut, daß Ferruzzi-Chef Gardini die Anteile wieder zurückverkaufte — zu einem Preis, mit dem der Staatshaushalt noch heute belastet ist.
„Bruchstellen“, auch „programmierte“, sehen jedenfalls Aktienhändler bereits in der kategorischen Festlegung, daß 55Prozent eines jeden Konzerns noch immer in Staatshand bleiben sollen. „Der Fuß in der Tür“, so ein Makler zur taz, „wird möglicherweiser zum Klumpfuß der ganzen Aktion.“
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