: BEAM ME UP, SCOTTY, ABER SCHNELL! Von Andrea Böhm
Es ist wirklich kein Vergnügen, bei 35 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit durch New York zu stapfen. Die Füße kleben am Teer und die Lungenflügel tasten das inhalierte Gemisch aus Abgasen und Hot-Dog- Dämpfen hektisch nach Sauerstoffresten ab. Und dann gerät man plötzlich an der 35th Ecke 5th in einen Haufen durchgeschwitzter Demonstranten, die einen zum Rosenkranzbeten auffordern — oder ein hysterisches „Safe the Babies“ ins Gesicht schleudern. Beam me up, Scotty, aber schnell.
Die Abtreibungsgegner sind in der Stadt. Strategisch nicht ungeschickt, schließlich wird gerade der Parteitag der Demokraten abgehalten. Im Schlepptau von 5.000 Delegierten und ihren Häuptlingen befinden sich 15.000 Journalisten, und wo immer sich zur Zeit Kameras- und Wahlkampfteams stauen, ist Randall Terry samt Anhang nicht weit. Eigentlich ist er ein ziemlich erfolgloser Reifenhändler und außerdem zweimal bei McDonald's rausgeflogen, aber das gehört nicht zur offiziellen Biographie. Randall Terry, 31 Jahre alt, rettet heute hauptamtlich Leben. Dabei konzentriert er sich ausschließlich auf das ungeborene.
Mit den Lebenden hat Terry eher Probleme — vor allem mit Demokraten und Frauen. Erstere hält er für eine „nationale Schande“, weil sie das Recht auf Abtreibungsfreiheit unterstützen. Für New York hat er sich deshalb einiges vorgenommen: Mit seiner Organisation „Operation Rescue“ will er ein paar Kliniken lahmlegen und dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton in einem günstigen Moment vor möglichst vielen Kameras einen abgetriebenen Fötus überreichen.
Mit den Frauen ist es noch schwieriger. Da sind zum Beispiel die Feministinnen — pures Gift in den Augen unseres Robin Hoods für das ungeborene Leben, weil sie „Mutterschaft und auch Kinder hassen und lesbische Liebe propagieren“. Dann sind da die Frauen, die abtreiben, und damit „Mord begehen“. Dann sind da die Frauen, die abtreiben wollen. Die versucht Terry, von dieser „Todsünde“ abzubringen, wobei er in der Wahl der Mittel nicht zimperlich ist. Mal wirft er sich vor der Klinik gegen ihre Autotür, mal gibt er sich als Krankenpfleger aus und führt ihnen den einbalsamierten Fötus vor, der bei ihm auf dem Schreibtisch steht.
Dann sind da noch die arbeitenden Frauen. Die sind verantwortlich für die „Zerstörung der traditionellen Familie“. Das kommt bekanntermaßen in den besten vor — auch bei den Terrys: Als das Schicksal noch nichts richtiges für Randall gefunden hatte, mußte auch seine Frau Cindy zum Geldverdienen aus dem Haus. Mittlerweile kassiert Terry als Missionar und Medienstar genug, um Cindy aus der feindlichen Welt zurück an den Herd zu holen.
Nun ist es nicht nur der pure Geschäftssinn, der Randall Terry zu seiner neuen Tätigkeit geführt hat. Die stille Antriebskraft ist wieder einmal die Mutter. Er sei selbst ein nicht geplantes Kind gewesen, sagt er jedem, der es hören will oder nicht. „Und ich bin froh, daß meine Mutter damals nicht mal die Chance hatte, eine Abtreibung in Erwägung zu ziehen.“ Im tiefsten Inneren scheint den Mann die Angst umzutreiben, die Mutter könnte es sich im nachhinein doch noch anders überlegen.
Kaum zu glauben, Randall Terry wollte einst etwas Anständiges werden: Rock'n'Roll-Star. Man will der Branche wirklich nichts Böses wünschen, aber diesen Fall hätte sie doch übernehmen können.
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