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„Mit der Epik ist das so eine Sache“

■ Ein Gespräch mit Ingeborg Harms

taz: Ihr erster Erzählband ist im Hanser-Verlag erschienen. Wie kam es zum Untertitel „Drei Videos“?

Ingeborg Harms: Es war mehr oder weniger eine Lektoratsentscheidung, die allerdings zu verkraften ist, wenn man bedenkt, daß „Hard Drive“ zuerst beim Piper-Verlag in einem Literaturheft unter dem Titel „Alltagsschreibe“ erschien.

Vor zwei Jahren haben Sie die Erzählung „Mizzis Video“ beim Klagenfurter Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis vorgestellt. Wie kommen Sie damit zurecht, daß Sie nach Ihrem Debütband als Erzählerin gehandelt werden, die eine Sprache für die Schnellebigkeit unserer Zeit gefunden hat?

Um die Schnelligkeit geht es mir nicht, es ist mir aber wichtig, Schnelligkeit und Rhythmus in die deutsche Sprache zu bringen, die von Natur aus eher zähflüssig, schwerfällig und unmusikalisch ist. Daß ich zu einer Erzählerin der Schnellebigkeit deklariert werde, hat etwas Absurdes, wenn man bedenkt, daß ich aus einem Dorf an der Elbgrenze stamme, wo auf vier Quadratkilometer drei Menschen kommen und alles ganz langsam geht. Die Geschwindigkeit, die jetzt mein Markenzeichen sein soll, hat vielleicht etwas damit zu tun, daß ich aus der Stadtwelt, die ich beschreibe, schnell wieder türmen möchte, da ich mich ihr nicht gewachsen fühle.

Sie schreiben prägnant, man hat allerdings den Eindruck, daß es Sie zu epischer Breite drängt. Ist der Eindruck richtig?

Mit der Epik ist das so eine Sache. Ich habe den Verdacht, daß epische Breite eine Frage der Konzentration, der Zeit und des Raumes ist und sich in unserer Zeit nicht mehr recht einstellen mag.

Ist die novellistische Form also eher eine Verlegenheitslösung?

Sicherlich, obwohl die Novelle als eine Form, die immer mit dem Ende liebäugelt, etwas Bestechendes hat. Ich habe gerade während des Schreibens von „Hard Drive“ bemerkt, daß ich das Ende wesentlich länger hätte hinauszögern können. Es wird bei mir wohl in Richtung eines epischen Schreibens gehen, denn eigentlich ist man verdammt dumm, wenn man auf dem Roß einer neuen Geschichte sitzt und sie schon nach zwanzig Seiten abschließt.

Ihr Hintergrund ist Kleist, seit neuestem sind Sie dritte Herausgeberin der Kritischen Kleist-Ausgabe, die bei Stroemfeld/Roter Stern erscheint. Wo liegen Ihre literarischen Berührungspunkte mit Kleist?

Am meisten hat mich wohl die Künstlichkeit der Beziehungen beeinflußt, die Kleist beschreibt, was zwangsläufig zur Künstlichkeit des Textes führt, der das beschreibt. Der Text ist ja nicht ein Ergebnis von real beobachteten Dingen, sondern davon, daß ich mit Worten kommuniziere, Sätze erfinde und Impressionen zu Worten reduziere. Es hört sich paradox an, aber obwohl das so ist, möchte ich die Impression während des Schreibens davor schützen, systematisch zu wirken. Wenn man Künstlichkeit wagt, kann man tatsächlich für Momente in der Unschuld landen.

Sie kehren nach Deutschland zurück. Warum die Entscheidung für die Kleist-Ausgabe ausgerechnet in einer Situation, da Sie sich noch mehr aufs Schreiben konzentrieren könnten?

Als ich meine Doktorarbeit über Kleist abgeschlossen hatte, erzählte ich meinen Freunden, mit Kleist könne man nicht fertig werden, und entzog mich diesem Rätsel, indem ich nach Amerika ausriß. Dort bekam ich dann den ersten Band der Kritischen Kleist-Ausgabe in die Hand und konnte überhaupt nicht fassen, daß man Kleist so respektlos, unakademisch und leidenschaftlich angeht. Schade, dachte ich, das hättest du machen können, wenn du in Deutschland geblieben wärst. Ich war fasziniert, rezensierte die Ausgabe für eine Fachzeitschrift in Amerika und traf mich mit einem der Herausgeber, Roland Reuß, auf dem Frankfurter Bahnhof. Er sagte mir auf den Kopf zu, er habe den Eindruck, daß ich mich in Amerika eigentlich unwohl fühle. Er hatte wohl recht. Das Gespräch führte

Jürgen Berger

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