: Staatsdiener gutdotiert auf dem Abstellgleis
■ Nach Krauses Vorstellungen sollen Beamte nach den alten Konditionen bezahlt werden — auch wenn sie ausgeliehen werden
Natürlich werde durch die Bahnreform „Personal freigesetzt“, räumt der Sprecher des Verkehrsministeriums ein, „insbesondere bei der Reichsbahn. Es sei ja nicht von der Hand zu weisen, daß es in der Ex-DDR einen völlig aufgeblähten Apparat gebe. Aber „die Beamten haben nichts zu befürchten“, versucht er zu beruhigen.
Tatsächlich ist das Schicksal der insgesamt 400.000 Staatsdiener bei Bundes- und Reichsbahn einer der neuralgischen Punkte der Reform. Denn zumindest die 130.000 Bundesbahnbeamten, die einst den Treueid auf die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ schworen, erhielten im Gegenzug die Zusicherung lebenslänglicher Versorgung. Und auch die Arbeiter und Angestellten, die länger als 15 Jahre bei der Bundesbahn in Lohn und Brot stehen und älter als 40 Jahre sind, können nur gekündigt werden, wenn sie goldene Löffel geklaut haben. Schon heute müssen Bezüge für 200.000 Pensionäre aufgebracht werden. Daran will die Bundesregierung auch bei der Überführung der Bahn in eine wirtschaftlich arbeitende AG nichts ändern. Für die 180.000 Reichsbahner hingegen sieht die Situation wesentlich ungünstiger aus, weil hier niemand eine Beamtenurkunde bekommen hat.
Krauses Gesetzesvorlage sieht vor, daß die Institution „Bundeseisenbahnvermögen“ die Beschäftigten weiter zu den alten Konditionen bezahlt und auch für ihre Pensionen aufkommt. Die Geschäftsführung der AG kann dort Personal ausleihen, für das sie nur „in dem Umfang (bezahlt), wie sie die Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer vergütet“. Somit muß das „Eisenbahnvermögen“ nicht nur für die Differenz von Tariflohn zu Beamtenbesoldung aufkommen, sondern vor allem auch die Beamten bezahlen, die die AG nicht haben will. Die AG hat also die Möglichkeit, nur die jungen und „preiswerten“ Leute einzustellen und sich ansonsten auf dem Markt umzuschauen.
„Es ist abzusehen, daß auf diese Weise viele Eisenbahner frustriert sein werden, weil sie nichts zu tun haben — und ebenso die Steuerzahler“, sagt Beamtenbund-Sprecher Thomas Stiller. Er hält zudem die Konstruktion des Verkehrsministers für rechtlich bedenklich, weil dadurch Beamten an eine nichtstaatliche Organisation ausgeliehen werden. Der Beamtenbund hat immer wieder, zuletzt am Montag, versucht, Verkehrsminister Krause für die Konstruktion einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zu erwärmen, wie sie zum Beispiel die Sparkassen haben. „Wir haben nichts gegen Aktiengesellschaften, aber ein rein gewinnorientiertes Prinzip ist doch bei der Bahn nicht angemessen“, so Stiller. Er fürchtet um viele Arbeitsplätze im Regionalverkehr. Und außerdem ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt den Beamten noch aus einem anderen Grund sympathisch: Sie ist „dienstherrenfähig“ (Beamte dürften dort arbeiten) — und damit beamtenrechtlich auf jeden Fall akzeptabel. Annette Jensen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen