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Weichenstellung für den „privatisierten“ Regionalverkehr

■ Ab 1993 wollen die „Elbe-Weser-Verkehrsbetriebe“ (EVB) im niedersächsischen Zeven auf „nicht bundeseigenen“ Eisenbahnstrecken neue Wege gehen

Für ganze 111 Kilometer Schienen im „Nassen Dreieck“ zwischen Elbe und Wesermündung ist Heinz Badke, Geschäftsführer der Elbe-Weser-Verkehrsbetriebe (EVB), bisher verantwortlich. Ab dem 1.Oktober werden es knapp 300 Kilometer, und dann soll er mit seiner im niedersächsischen Zeven ansässigen „nicht bundeseigenen“ Bahn auch „verkehrspolitisch neue Wege gehen“. 159 Kilometer Schienen wird die EVB von der Deutschen Bundesbahn übernehmen und gleichzeitig noch mit der kleinen Buxtehuder Harsefelder Eisenbahn „fusionieren“. Während bisher die „nicht bundeseigenen“ Eisenbahnen in Niedersachsen auf rund 1.000 Kilometer Schienen nur Güter rollen lassen, will die EVB von der Bundesbahn die Personenbeförderung übernehmen. Im Einstundentakt sollen dann Triebwagen zwischen Bremerhaven und dem S-Bahnhof Hamburg-Neugraben pendeln, zum Teil über Strecken, die seit 25 Jahren nicht mehr für den Personenverkehr genutzt wurden und im Atlas schon als „Museumsbahn“ verzeichnet sind. Die Bundesbahn hatte eigentlich ihre 159 Kilometer Schienen im „Nassen Dreieck“ gänzlich stillegen wollen.

Als eine „Weichenstellung pro Schiene“ lobte denn auch DB-Chef Heinz Dürr das „beispielhafte Regionalisierungsprojekt“, als er im November 1991 in Hannover den Vertrag über die Übergabe der Strecken im „Nassen Dreieck“ unterzeichnete. Für den EVB-Mehrheitsgesellschafter, das Land Niedersachsen, erklärte Wirtschaftsminister Peter Fischer, durch nicht bundeseigene Eisenbahnen könne der unwirtschaftliche Nah- und Regionalverkehr „attraktiver und kostengünstiger abgewickelt“ werden.

Gerechnet nach den 42 Millionen „Personenstreckenkilometern“, die die Bundesbahn jährlich über Fahrkarten verkauft, entfällt etwa die Hälfte des gesamten Personenverkehrs auf jene in der Regel „unwirtschaftlichen“ Fahrten unter 50 Kilometer. Die nicht ins Konzept des Wirtschaftsunternehmens Bahn AG passen. „Nach einer am 1. Juli in Kraft getretenen EG-Verordnung gehört der öffentliche Nahverkehr nicht mehr zur Daseinsvorsorge“, begründet der Sprecher der Bundesbahnhauptverwaltung, Fridolin Schell, die Absicht seines Unternehmens, sich im Zuge der Reform von dem unwirtschaftlichen Nahverkehr insgesamt zu trennen. Bei dieser umfassenden „Regionalisierung“ sollten verschiedene Wege parallel beschritten werden, von denen die Übergabe von Strecken an nicht bundeseigene Eisenbahnen nur einer sei.

Für die Ballungsräume werde eine Übernahme des Nahverkehrs durch die Länder, durch Gebietskörperschaften und deren Nahverkehrsgesellschaften angestrebt, sagt der Bahnsprecher. Diese Verkehrsbetriebe könnten auf den Strecken der Bundesbahn entweder selbst den Nahverkehr abwickeln und hätten dafür „Streckenbenutzungsgebühren“ zu zahlen. Sie könnten aber auch bei der Bundesbahn ein Nahverkehrsangebot bestellen und hätten dann dessen Kosten zu tragen.

Auch das Regionalisierungsprojekt im „Nassen Dreieck“ wird den kostendeckenden Nahverkehr nicht herbeizaubern. Das Defizit, das jetzt noch die Bundesbahn trägt, werden in Zukunft das Land und die an der EVB beteiligten Landkreise und Städte begleichen müssen. Sparen will EVB-Geschäftsführer Heinz Bradke vor allem bei den Personalkosten. Von den fünf Bahnhöfen, die die Bundesbahn an ihren 159 Kilometer Strecke unterhält, soll zukünftig nur noch einer ständig mit Personal besetzt bleiben. Erreicht werden soll dies durch den Einsatz moderner Stellwerkstechnik, durch „automatische Weichen“ und durch einen Fahrkartenverkauf „wie bei der Straßenbahn“, vor allem also durch Kartenautomaten.

Auch die Gehaltskosten sollen bei der EVB um rund 50 Prozent unter dem Niveau der Bundesbahn liegen, einfach weil es „vom Geschäftsführer abgesehen keine höheren Dienstränge mehr geben wird“. Auch auf höhere Einnahmen aus dem Personenverkehr hofft der EVB-Geschäftsführer: Da die neue Verbindung zwischen Bremerhaven und dem Hamburger S-Bahn-Netz sich auf die Bedürfnisse der Pendler ausrichtet, geht er von einem Anstieg der Fahrgastzahlen auf 2.400 pro Tag aus. Als Starthilfe erhält die EVB zudem Investitionszuschüsse in Höhe von 21 Millionen von der Bundesbahn und noch einmal über 7 Millionen vom Land Niedersachsen.

Heinz Bradke rechnet dennoch mit einem dauerhaften Defizit seiner Bahngesellschaft im Personenverkehr von einer runden Million Mark im Jahr, für das die Gesellschafter künftig geradezustehen haben. Die Bahn habe allerdings bisher auf den 159 Kilometern ein jährliches Defizit von drei Millionen erwirtschaftet. Jürgen Voges

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