: Spät, aber doch: Tupamaros im TV
■ „Der Unsichtbare Aufstand“ von Costa-Gavras, Samstag, ZDF, 23.30Uhr
Seit ich einen Videorecorder besitze, bin ich ein einziges Mal in eine Videothek gegangen, um mir einen Film auszuleihen. Es war „Der unsichtbare Aufstand“ von Konstantin Costa-Gavras. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet, daß dieser Film noch einmal in einem öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehprogramm zu besichtigen sein wird. Nun ist es doch der Fall: morgen abend zur besten Samstagabend- Spätfilm-Sendezeit im ZDF.
„Der unsichtbare Aufstand“ (BRD/Frankreich/Italien 1972) schildert in der beklemmenden Eindringlichkeit, wie sie wohl nur Costa-Gavras zu vermitteln in der Lage ist, die Aktion einer südamerikanischen Stadtguerilla. Die ist unschwer als die uruguayischen Tupamaros zu identifizieren und entführt einen amerikanischen Geschäftsmann (Yves Montand). Der vermeintlich apolitische „simple“ Geschäftsmann wird gefangengehalten, verhört und mit Erkenntnissen über die Unterstützung der CIA bei Counter-Insurgency-Aktivitäten und Polizeiaufrüstung konfrontiert.
Das Militärregime reagiert auf die Entführung mit massiver Repression. Ein Klima der Angst wird erzeugt. Als schließlich die Kernmannschaft des Entführungskommandos von den Schergen des Regimes festgenommen wird, muß die zweite Garde der Rebellen über das Schicksal des amerikanischen Geschäftsmannes abstimmen, und die Mehrheit dreht den Daumen nach unten.
Costa-Gavras bleibt wie immer hart an der Realität. Er hatte sicherlich seinen Agee gelesen. Philip Agee hatte Mitte der siebziger Jahre in dem Buch „Inside the Company“ seine Erfahrungen als CIA-Agent in Südamerika niedergeschrieben und vieles über die Aktionsstrukturen des amerikanischen Geheimdienstes preisgegeben. Beispielsweise daß die einflußreichsten Agenten sich als scheinbar biedere Geschäftsleute niedergelassen hatten. Trotz der Veröffentlichungen hielt sich die CIA auch in den späten Siebzigern ans SchemaF, wie es in Costa-Gavras' Film sichtbar wird.
„Der unsichtbare Aufstand“ ist eine Gratwanderung zwischen Anklage und Rechtfertigung revolutionärer Gewalt. Dieser Film wäre so im Jahre 1977 zwischen Buback- Mord und Schleyer-Entführung nicht aufführbar gewesen, und selbst angesichts der scheinheiligen Empörung über das neue Rohwedder- Stück von Rolf Hochhuth ist es ein kleines Wunder, daß man diesen Film den deutschen Fernsehzuschauern nun nicht mehr vorenthalten mag. Lediglich Rechteprobleme wegen der vielen verschiedenen Koproduzenten seien der Grund für die jahrelang verspätete Ausstrahlung gewesen — meinte hingegen ZDF- Spielfilmredakteur Labenski gegenüber der taz.
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