Ross Perot wirft das Handtuch

Nach Querelen in seinem Wahlkampfteam erklärt der Milliardär, er wolle nicht fürs Präsidentenamt kandidieren: Eine schlechte Nachricht für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Clinton  ■ Aus New York Andrea Böhm

Ross Perot gibt auf. Einen Tag nach dem Ende des demokratischen Parteikonvents, der in New York Bill Clinton zum Präsidentschaftskandidaten gekürt hat, erklärte der texanische Millardär überraschend, er werde nicht ins Rennen ums Weiße Haus ziehen. Der Mann, der in Umfragen teilweise vor Bush und Clinton lag, der bisher auf einer Welle der Sympathie als unabhängiger Politikaußenseiter inoffizieller Kandidat der „kleinen Mannes“ war, erklärte seinen Rückzug in einem Moment, in dem er zunehmend unter öffentlichen Druck geriet, seine wolkigen, populistischen Vorstellungen mit konkreten politischen Inhalten zu füllen.

Zuvor hatte sich die Krise in seinem Wahlkampfteam zugespitzt. Edward Rollins, der 1984 als Kampagnenmanager Ronald Reagan zur Wiederwahl verholfen hatte, war zusammen mit dem ehemaligen Carter- Berater Hamilton Jordan seit knapp zwei Monaten für Perot tätig. Er hatte am Mittwoch seinen Ausstieg bekannt gegeben — sichtlich frustriert über den Kandidaten selbst, dessen autoritärer Führungsstil und Dickköpfigkeit wenig Spielraum für Wahlkampfberater mit anderen Ansichten läßt. Die Kündigung von Rollins ließ bei vielen potentiellen Wählern — und vielleicht bei Perot selber — Zweifeln aufkommen, ob der Texaner zu einer professionellen Kampagne fähig ist. Gleichzeitig hatte auch Paul Nitze, Militärexperte und Mitglied eines Beraterkomitees für Perot, das Handtuch geworfen. Nitze hält Perots Vorstellungen von Außenpolitik für indiskutabel — vor allem dessen Argument, die USA sollten sich auf eine Vormachtstellung im asiatischen und pazifischen Raum konzentrieren und sich weniger um Europa kümmern.

Perot entschied sich angesichts dieser Hiobsbotschaften zunächst dafür, eine Wahlkampftournee abzusagen, um sich mit seinen verbliebenen Beratern zu einer Krisensitzung einzufinden. Nach dieser Sitzung gab er seinen endgültigen Rückzug aus der Kampagne bekannt.

Dies ist eine schlechte Nachricht für den demokratischen Kandidaten Clinton. In dessen Team hat man sich nämlich längst auf ein Dreier-Rennen eingestellt und hoffte darauf, daß Perot vor allem im Süden George Bush die Stimmen frustrierter Republikaner abnimmt — und damit Clinton den Weg ins Weiße Haus ebnet.

So fand ein demokratischer Konvent einen bitteren Abschluß, der eigentlich nicht hätte besser laufen können für den Gouverneur von Arkansas: ein Parteitag, dessen harmonischer Ablauf manchen an ein Seniorentreffen erinnerte; 5.000 Delegierte, denen vier Tage lang Politzirkus, Cola und ein bißchen Ekstase geboten wurden — und schließlich den dramaturgischen Höhepunkt durch einen Mann, den viele Delegierte insgeheim immer noch für den besseren Präsidenten halten: New Yorks Gouverneur Mario Cuomo hielt eine brillante Nominierungsrede für Bill Clinton. Unter rauschendem Beifall im Madison Square Garden präsentierte Cuomo den Spitzenkandidaten als Hoffnungsträger für die USA, als „Comeback Kid“ und „neue Stimme für ein neues Amerika“. Danach schritten die Delegationen der Bundesstaaten zur Abstimmung — und als die nötigen 2.145 Stimmen erreicht waren, versank der Madison Square Garden im Konfettiregen, während die Delegierten jubelten, als seien die Wahlen bereits gewonnen. Einer hat mit besonderem Neid Cuomos Rede gelauscht: einen solch mitreißenden Rhetoriker hätte Ex- Präsidentschaftskandidat Michael Dukakis vor vier Jahren bei seinem Parteitag auch gern gehabt.

Vor der Krönung ihres Spitzenkandidaten hatte der Parteitag noch einmal mit einer sehr emotionalen Hommage an Robert Kennedy die guten, alten demokratischen Zeiten heraufbeschworen. Bill Clinton als Erbe der Kennedy-Aura — dieses Image versuchen seine Wahlkampfberater immer wieder zu festigen.

Es herrschte Aufbruchstimmung. Ein untrügliches Zeichen dafür ist der warme Regen an Wahlkampfspenden, der der tief verschuldeten Wahlkampagne Clintons vorerst garantiert hat, daß sie weiterhin Hotelsuiten bezahlen kann.