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Das heitere Welpenraten

„Rudis Tiershow“, Samstag, ARD, 19.23Uhr (SFB 19.00, ORB 19.20Uhr)  ■ Von Dorothee Wenner

Rate- und Gewinnspiele im Fernsehen können einem eiskalte Schauer über den Rücken jagen. Welche Erniedrigung müssen die Kandidaten und Kandidatinnen doch oft über sich ergehen lasssen! Vor abermillionen Augen kramen sie fieberhaft in ihrem auswendig gelernten Lexikonwissen, Erwachsene lassen sich zu entstellenden Kindergarten-Turnübungen hinreißen oder verraten in Hochzeitsquiz-Sendungen Geheimnisse, die sie lieber für sich behalten sollten. In „Rudis Tiershow“ begreift man die voyeuristische Brutalität dieser Sendungen, das ganze Ausmaß ihrer Taktlosigkeit, denn diese Art der Fernsehunterhaltung macht den Menschen zum Tier — nicht zum wilden, sondern zum willenlosen Dressurpony.

In konsequenter Umsetzung dieser Erkenntnis sind die Kandidaten in „Rudis Tiershow“ zwei Hunde, die neben dem Showmaster und vor ihrem Herrchen beziehungsweise Frauchen auf einem himbeerfarbenen Velours sitzen. Hund und Hundehalter bilden zwar ein gemeinsames Paar, aber das Tier steht als Akteur stets im Vordergund. Über „Mathes“ und „Angies“ Kunststücke wird gelacht, und sie sind es auch, die die Belohnung bekommen. In Anspielung auf Lembkes „Berufe- Raten“ gibt es statt der Fünfmarkstücke ins Schweinchen Hundekuchen ins Näpfchen. Rudi läßt die Leckerbissen in paritätischer Zahl vom Pult über eine durchsichtige Rutsche in die mit Namen gekennzeichneten Töpfe sausen, denn Verlierer gibt es nicht. „Wie immer sind beide Sieger geworden!“, egal ob der eine beim „Flyball“ den Ball aufgeschnappt hat und der andere gar nicht mitbekommem hat, daß sich über seinem Kopf etwas bewegt. Auch wenn Rudi geradezu subversiv viele Regeln der gemeinen Gewinnspiele einfach ignoriert, wäre es ungerecht, seine Show auf ihren fernsehkritischen Charakter zu reduzieren.

Die knappe halbe Stunde plätschert nach einem relativ gleichen Schema vor sich hin: Labyrinth, Parcours, tierische Knallbonbons, Kunststückchen wie „Terrier am Telefon“ und das Tierberufe-Raten. Einmal war ein „Forellenzirkus-Direktor“ eingeladen, der seine Fische über kleine Stöckchen im Bach springen ließ, eine Woche später ein Zollbeamter, der seinen nervösen Rauschgift-Spürhund vorstellte. Diejenigen im Publikum mit Haschisch in der Handtasche wurden gebeten, den Saal zu verlassen.

Entsprechend dem Gesetz jeder Fernsehserie erwartet man von „Rudis Tiershow“ nicht jeden Samstag neue Effekte, sondern erfreut sich an den kleinen Variationen. Ich mag am liebsten das „Welpenraten“. Bei dieser Nummer bringt Rudis Assistentin in einem Weidenkorb, der mit einem flauschigen rosa Flokati ausgeschlagen ist, etwa acht kleine Hunde auf die Bühne, deren Rasse geraten werden muß. Anschließend werden die Eltern der Welpen vorgestellt, währenddessen Rudi einen der Welpen liebevoll auf den Arm nimmt. „Ich bin doch gar nicht Deine Mutti“, erklärt der ergraute Showmaster dem kleinen Spaniel. Sind es seine Worte, oder ist es sein holländischer Akzent, mit dem sich Rudi Carell im Laufe der Jahrzehnte den Weg zu den Herzen der deutschen Zuschauer zu einer Art Autobahn ausgebaut hat?

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