: Sozialdemokraten eiern gen Karlsruhe
Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Beschlusses der SPD/ Einstweilige Anordnung ausgeschlossen/ Union bleibt dabei: Einsatz der „Bayern“ verfassungswidrig/ Hirsch (FDP) macht den Genossen Mut ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Am Tag nach der Entscheidung des Fraktionsvorstands, wegen der Bundeswehr-Beteiligung an der Adria nach Karlsruhe zu gehen, plagte sich die SPD mit dem konkreten Prozedere einer Verfassungsklage. Das scheint zwischen Fraktionsführung und Rechtsexperten so ungeklärt, daß der Weg vor das Verfassungsgericht wieder als fraglich gelten muß. Die Fraktion wird in der nächsten Woche darüber zu entscheiden haben. Die von der SPD verlangte Sondersitzung des Bundestages wird am Mittwoch stattfinden.
Der konkrete Weg der Klage ist laut Fraktionschef Hans-Ulrich Klose kompliziert. Die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung gegen die Fahrt der „Bayern“ vor die Küste des ehemaligen Jugoslawien hatte der Fraktionsvorstand verworfen, weil die zuständigen Minister Klaus Kinkel und Volker Rühe versichert hätten, es handle sich um einen Einsatz ohne Gewaltanwendung. Eine sogenannte Organklage kann angestrengt werden, wenn ein Bundesorgan (oder ein Teil, z.B. eine Fraktion) eine verfassungswidrige Handlung eines anderen Organs, in diesem Fall der Bundesregierung, vermutet. Der Weg nach Karlsruhe ist aber nur zulässig, wenn die Verletzung eigener Rechte (also der SPD-Fraktion) nachgewiesen wird. 221 Unterschriften, so Klose, braucht diese Klage. Die SPD-Fraktion hat 239 Mitglieder.
Während sich die SPD mit den rechtlichen Fragen befaßte, zeigte sich das Regierungslager zuversichtlich. Nach Auffassung von Unions- Fraktionschef Wolfgang Schäuble ist die Verfassungslage eindeutig. Sie decke nicht nur Blauhelm-Aktionen ab, sondern auch weitere militärische Einsätze. Eine Verfassungsänderung, die die Bundeswehr auf Blauhelm-Einsätze beschränke, lehne die Union nicht ab. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) hält den Adria-Einsatz für eindeutig verfassungskonform. Die Aktion trage zwar keinen humanitären Charakter, liege aber klar unterhalb der Grenze eines militärischen Engagements. Art und Umfang möglicher künftiger Bundeswehr-Einsätze sollten durch eine Grundgesetzänderung geregelt werden. Sie halte für möglich, so die Ministerin, daß Teile der SPD-Fraktion die von der Regierung gewünschten erweiterten Möglichkeiten für die deutschen Streitkäfte unterstützen werden.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch befand indessen klar: „Das ist ein militärischer Einsatz, und der ist laut Grundgesetz nicht erlaubt.“ Er sieht gute Chancen für die Verfassungsklage der SPD. Der SPD-Abgeordneten Willfried Penner ist dagegen skeptisch. Er riet dazu, den Streit im Parlament auszutragen und mit dessen Entscheidung zu beenden.
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