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Hoffnungslos

■ John Smith wird Labour nicht aus der strukturellen Krise führen können

Hoffnungslos John Smith wird Labour nicht aus der strukturellen Krise führen können

John Smith — der Name ist Programm: Der neue Chef der britischen Labour Party ist Dutzendware. Neue Impulse sind von ihm nicht zu erwarten. Wo sollte er sie auch hernehmen? Schließlich sieht der Rechtsanwalt aus Schottland es als Qualitätsmerkmal an, daß er seit seinem Eintritt ins Unterhaus (vor 22 Jahren) noch nie seinen Standpunkt geändert habe. Und er hat bereits angekündigt, daß das Programm, mit dem die Partei im April zu den Wahlen antrat, keiner radikalen Überprüfung unterzogen werde. Genau das ist jedoch notwendig, will die Partei in absehbarer Zukunft die Regierung stellen.

Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, daß Labour die Parlamentswahlen nur wegen Neil Kinnock verloren habe. Zwar hat der laut Meinungsumfragen unbeliebte Waliser seinen Teil dazu beigetragen, doch weit schwerwiegender war die Tatsache, daß von der unter Kinnock sozialdemokratisierten Labour Party keine neuen Ideen kamen. Seit Mitte der 80er Jahre ist die Partei ängstlich darauf bedacht, Anerkennung und Akzeptanz bei den Mittelschichten zu finden. Deshalb hat die Parteiführung die „thatcheristische Revolution“ nicht in Frage gestellt, sondern sich auf persönliche Angriffe verlegt. Doch konservative Politik machen die Torys allemal besser, zumal sie inzwischen — zumindest verbal — gemäßigter auftreten als noch unter Thatcher. In der Mitte, in der ja auch noch die Liberalen Demokraten stehen, ist für die Labour Party kein Platz. Vor ähnlich existentiellen Problemen stehen nicht nur die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik, sondern jenseits aller jüngerer Euphorie auch die Demokraten der USA. Auf das unerwartet radikale Auftreten des Konservatismus haben sie unflexibel reagiert, und man muß sich heute fragen, ob diese Art von Opposition noch eine Existenzberechtigung hat.

Eine Partei wie Labour kann ihre Probleme nur langfristig in den Griff bekommen. Eine schnelle Lösung gibt es nicht, schon gar nicht durch einen einfachen Austausch der Parteiführung. Labours intellektuelle Ressourcen sind erschöpft, die Partei kann sich von innen nicht erneuern. Sie ist langweilig. Nur wenn man sich nach außen öffnet und den Dialog mit sozialen Bewegungen, die durchaus existieren, sucht, besteht noch eine Chance. Für diese Öffnung sind Smith und Beckett jedoch die falschen Leute. Schlimmer noch — nach Kinnocks Säuberungsaktion ist in der gesamten Parteispitze niemand in Sicht, der diese Politik durchsetzen könnte. So war die Wahlniederlage im April wohl nur eine weitere Etappe auf dem Weg in den Untergang. Selbst ein so blasser Premier wie Major braucht sich vor dieser Opposition nicht zu fürchten. Labour wird zumindest in diesem Jahrhundert (was auch eine Jahrtausendwende ist!) keine Wahl mehr gewinnen. Ralf Sotscheck

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