: Feuer, Flamme, Phantasie
■ Die englische Elektrokaminkultur findet auch in Nord-Deutschland Freunde
Es ist Sommer. Es ist heiß. Im Geschäft von Robert Miller aber lodern drei Kaminfeuer still vor sich hin. Trotzdem hat mein Radfahrerinnenschweiß Gelegenheit, zu trocknen, als ich mich ihrer Betrachtung neugierig hingebe.. „Fantasy flame fires“ brennen nicht, sie riechen nicht, sie knistern nicht — sie leuchten rot und orange in Elektrokaminen der feinen englischen Art. Ein Druck auf den dezent an der Seite angebrachten Schalter, und das handbemalte Glasfaserholz glüht naturidentisch mit einem grünlichen Phosphorschimmer. Darunter tun die englischen Spezialglühbirnen ihren temperaturneutralen Dienst, unterstützt von durchlöcherten Metallschirmen, die drehend den Flammenspieleffekt bewirken. Warum also nicht auch an lauen Sommerabenden gemütlich an der Feuerillusion beisammensitzen? Auf dem Balkon vielleicht? (Trotz marmorgewichtigem Aussehen wiegen die Kamine samt Metallfeuerkasten nur 75-100 Kilo).
Aber Robert Millers „Fantasy flame fires“ stecken in einer Sommerlochkrise. Die an den Laden am Hastedter Osterdeich angeschlossene kleine Werkstatt ist peinlich sauber aufgeräumt, nur drei Holzkonsolen mit Zierleisten liegen zur Handverarbeitung auf der Werkbank bereit. Drei E-Kamine sind momentan in Auftrag.
Die Anfertigung der ca. 3ooo DM teuren „Möbelstücke“ (das nämlich sind sie in den Augen von Miller) braucht Zeit: 4 Wochen für ein Einzelstück, 6 Wochen für eine 5er Serie. Miller, ein waschechter Engländer, versteht sich als Pionier der Elektrokamin-
kultur, die eine englische Domäne ist, seit es Umweltauflagen für die luftverpestenden echten Kamine gibt. Aber auch in Deutschland findet sie immer mehr Liebhaber. Da gibt es bloße Feuerstellen mit metallischem Gitterkasten, es gibt offene Kohleöfen, in denen beleuchtete Stoffahnen , durch Heißluft bewegt, flirrende Hitzewellen imitieren. Es gibt wahre Kamin-Altäre aus weißem Preßholzmarmor und rustikale Bauernkamine aus Klinkersteinen. Und wer auf's Ganze gehen will, der stellt noch das echt-messingene Ofengeschirr daneben, Besen, Schippe und Schürhaken. Dieser Vollkommenheitsanspruch sieht nach echt englischem Humor aus, aber Robert Miller belehrt mich eines Besseren: „Das ist keine Spielerei“, sagt er, „die „fantasy flame fires“ sind nervenberuhigend, das sagen alle Kunden, ein Ort der Entspannung. Die Engländer wissen das schon lange.“
Auch Miller hat einen Kamin in seiner Wohnung stehen, eins seiner selbstentworfenen Modelle: „Im Augenblick, wo es dunkel wird, machen wir unseren Kamin an.“ — Ob man es nicht doch mal ausprobieren sollte? Cornelia Kurth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen