„Ausgebildete Folterer“

■ Festgenommene Personen erheben schwere Foltervorwürfe gegen die Polizei

Barcelona (taz) — „Dreimal bin ich dort fast gestorben. Als Arzt merkt man das ja. Ich spürte, wie ich erstickte, dann setzte das Gehirn aus, und dann war es fast vorbei.“ Die Erstickungsanfälle des Internisten und Sozialmediziners Oriol Marti kamen nicht von ungefähr: Zivilgardisten drückten ihm eine Plastiktüte, die sie ihm über den Kopf gezogen hatten, ans Gesicht, bis er keine Luft mehr bekam. Darüber hinaus berichtet der 40jährige Katalane, er sei geschlagen, getreten, beschimpft und mit heißen Metallstücken verbrannt worden. Grund: seine angebliche Mitgliedschaft bei der katalanischen Untergrundorganisation Terra Lliure.

Am 7.Juli wurde er nachmittags vor seinen Patienten in der Praxis festgenommen und am selben Abend nach Madrid ins Hauptquartier der Guardia Civil gebracht. Da er unter Terrorismusverdacht festgenommen worden war, durfte er keinen Anwalt benachrichtigen und wurde isoliert gehalten. 15 Stunden lang wurde der Professor für Sozialmedizin verhört und gefoltert. Ein Tage zuvor festgenommenes Mitglied von Terra Lliure hatte ausgesagt, Oriol Marti haben ihn von Verbrennungen geheilt, die er sich durch einen Unfall mit Sprengstoffen zugezogen hatte. „Für die Guardia Civil war ich deshalb zum Chef von Terra Lliure geworden“, so Marti bitter zur taz. „Dabei wußte ich gar nicht, daß der Patient dieser Organisation angehörte.“ Nachdem er vor dem Madrider Untersuchungsrichter am Nationalen Gerichtshof, Baltasar Garzon, ausgesagt hatte, wurde er ohne Auflagen freigelassen.

Die Aussagen von Eduard Lopez hören sich ähnlich an. Der 26jährige Redakteur der nationalistischen Tageszeitung El Punt wurde am 6.Juli zu Hause festgenommen, zunächst im Sitz der Guardia Civil in Barcelona gefoltert und danach nach Madrid gebracht. Dort wurde auch bei ihm die Plastiktütenfolter angewandt, er wurde mit einem harten Buch auf Kopf und Nieren geschlagen, nachts mußte er in der Zelle mit dem Gesicht zur Wand stehen und durfte sich nicht schlafen legen, die Guardia Civil drohte mit Elektroschocks. Eduard Lopez war bis vor zwei Jahren Mitglied von MDT (Bewegung zur Verteidigung des Landes), einer politischen Organisation, die Terra Lliure nahesteht. Seit damals ist er jedoch nicht mehr politisch aktiv. Nach seiner Vernehmung wurde er gegen Kaution freigelassen.

Für Oriol Marti gibt es keinen Zweifel: „Ich bin als Mitglied der Kommunistischen Partei unter Franco mal festgenommen worden, und da haben ein paar Zivilgardisten auf mich eingeprügelt. Aber das war ein Witz im Vergleich zu diesem Mal. Dies hier waren ausgebildete Folterer.“ Antje Bauer