Letten-Rubel, Tumen und Manat

■ Neues Geld für neue Republiken/ Lettland führt als zweite frühere Sowjetrepublik eine eigene Währung ein/ Deutsche Währungsexperten fürchten ein Ende der gusländischen Handelsbeziehungen

Riga/Berlin (dpa/taz) — Lettland ist als zweite baltische Republik nach Estland aus dem Geltungsbereich des russischen Rubels ausgeschieden. Seit gestern gilt dort ausschließlich der lettische Rubel als Zahlungsmittel. Sämtliche Bankguthaben und Bargeldbestände sind in den vergangenen Tagen zum Kurs von 1:1 kostenlos von russischen in lettische Rubel umgestellt oder umgetauscht worden. Der russische Rubel gilt ab sofort als ausländische Währung; für den Umtausch wird eine Gebühr erhoben. Der lettische Rubel ist allerdings nur eine Übergangswährung, um die Geldmenge in der Baltenrepublik besser kontrollieren zu können. Wann die endgültige Währung, der Lat, eingeführt wird, steht noch nicht fest.

Es ist vor allem die inflationsbedingte Knappheit an Rubelnoten in Rußland, die die anderen Republiken dazu bringt, Rettung in der Schaffung eigener Währungen zu suchen. Rußland hatte den Ausstieg der anderen Staaten aus der Rubelzone zunächst als Gefahr angesehen. Seit die Staatschefs der GUS-Länder sich Anfang Juli jedoch grundsätzlich für eine Aufteilung der Währungsgebiete und auch der Auslandsschulden verständigt haben, drängt Rußands Regierung heute wegen der eigenen Geldmengenprobleme vor allem auf rasche Entscheidungen der Republiken über die Zukunft des Rubels in ihren Ländern.

Westliche Währungsexperten, wie der Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Berliner Bank, Günter Wölke, beurteilen die wirtschaftliche Abkopplung von Rußland als „schlecht“ für die Republiken. „Die Probleme mit dem Rubel lassen sich nicht dadurch lösen, indem man neue Währungen einführt“, sagte Wölke gestern gegenüber der taz. Neue Handelsstrukturen könne man nicht einfach erzwingen, indem man eine neue Währung einführt, warnte auch Siegfried Guterman von der Deutschen Bank.

Auf dem Gebiet der UdSSR hat sich über Jahre hinweg eine gmeinsame Volkswirtschaft herausgebildet. Handels- und Lieferbeziehungen der Republiken bestehen vor allem mit Rußland, allenfalls noch mit den anderen europäischen Staaten des früheren Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Durch verschiedene Währungen entstehen Handelsbarrieren gegenüber den einstigen Geschäftspartnern, während neue Wirtschaftsbeziehungen zum Westen nach wie vor kaum existieren. Der Zwang zum Export nach Rußland wird daher laut Wölke zunächst bleiben.

Westler empfehlen ein gemeinsames Zahlungssystem

Bei tendenziell zurückgehender Wirtschaftsleistung dürfte die galoppierende Inflation die neuen Währungen genauso in Mißkredit bringen wie den Rubel. Die Hoffnungen beispielsweise der Letten in ihre neue Währung werden alsbald schwinden, befürchtet Guterman. Nach der deutschen Währungsumstellung 1948 habe es auch rund zehn Jahre gedauert, bis ein Vertrauen in die D-Mark gewachsen sei.

Bundesdeutsche Geldexperten empfehlen daher den Gussen, ein multinationales Zahlungssystem zu schaffen, um den zwischenstaatlichen Handel zu erleichtern. Als Vorbild könne die Europäische Zahlungsunion (EZU) dienen, zur der sich von 1950 bis 1958 die westeuropäischen Nachkriegsstaaten mit ihren damals keineswegs harten Währungen zusammengeschlossen hatten. In der EZU wurde der Handels- und Zahlungsverkehr zwischen den einzelnen Mitgliedsländern abgewickelt. Um eine Berechnungsgrundlage zu schaffen, waren zuvor die monatlichen Außenhandelsüberschüsse oder Außenhandelsdefizite gegeneinander aufgerechnet worden. Eine weitere Aufgabe der EZU bestand darin, die Währungen schrittweise konvertibel zu machen, was bis 1958 gelang. Als Betriebskapital hatten die USA der EZU 350 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.

Durch ein derartiges „währungstechnisches Institut“ (Wölke) könnten zumindest die alten Kundenbeziehungen erhalten werden. Wölke warnt auch vor der Illusion, rein „weltbankmäßig neue Beziehungen zum Westen schaffen“, also von jetzt auf gleich den Weltmarkt für die eigenen Produkte erschließen zu können.

Eine „enge wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region“ hält auch Guterman für absolut notwendig. Bei einer reinen West-Orientierung bestehe die Gefahr, daß sich die einzelnen Republiken mit ihren Währungen in einen Abwertungswettbewerb gegenüber den Hartwährungen begeben, um die begehrten Westmärkte zu erschließen. „Sie würden dann nur ihre Güter auf dem Weltmarkt verschleudern“, fürchtet Guterman.

Während die Währungsexperten hoffen, daß sich wenigstens die wirtschaftspolitischen Führungskräfte in den Ländern „pragmatisch gegen den unsäglichen Nationalismus“ (Guterman) stellen, waren die ausländischen Geschäftsleute in Riga gestern schlicht sauer, daß mit Einführung des lettischen Rubels gleichzeitig die Devisenläden abgeschafft werden. Denn gleichzeitig verkündete die Regierung eine gesetzliche Regelung, nach der sämtliche Waren auch für lettische Rubel zu kaufen sein müssen. Westliche Geschäftsleute drohten, daß sie aufgrund dieser Regelung möglicherweise ihre Tätigkeit in Lettland einstellen müßten.

Die Balten machen als erste ernst mit neuem Geld

Als erste der ehemaligen Sowjetrepubliken hatte Estland am 20. Juni den Rubel abgeschafft und durch die estnische Krone ersetzt, wobei das Land gleichzeitig einen deutlichen Währungsschnitt vornahm. Wann die dritte Baltenrepublik, Litauen, die geplante eigene Währung Litas einführt, ist noch unklar, da die Staatsbank in Wilna gegenwärtig noch nicht für die notwendige Devisendeckung des neuen Geldes sorgen kann.

Von den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken will Aserbaidschan die russische Währung vom 15. August an durch den Manat ersetzen. Die Ukraine behilft sich angesichts des Bargeldmangels zur Zeit mit landeseigenen Kupons, in denen auch bereits die Löhne ausgezahlt werden. Daneben gilt der Rubel jedoch weiter als Parallelwährung. Kasachstan hat, allerdings ohne einen Termin zu nennen, die Einführung einer eigenen Währung namens Tumen angekündigt. Donata Riedel