: Bisher waren immer die Füchse schuld
■ Nach der Quälerei im Tierpark Friedrichsfelde wurden Pfauen im Bürgerpark Pankow erwürgt/ Empörte Reaktion/ Polizei klärte Tierpark-Anschlag auf
Lichtenberg. Wenige Tage nachdem vier Jugendliche im Tierpark Friedrichsfelde 18 Vögel und Schafe regelrecht abgeschlachtet haben, sind jetzt ähnliche Tierquälereien im Bürgerpark Pankow bekannt geworden. In der Nacht zu Dienstag erwürgten Unbekannte dort eine Pfauenhenne und schnitten einem weiteren Tier den Kopf ab. Nach Angaben des Bezirksamtmitarbeiters Dietrich Vigaß ist dies bereits die »dritte Mordrunde« in diesem Jahr. Ende März seien beispielsweise mit Schnürsenkeln erwürgte Tauben gefunden worden. In einem Brief hätten sich die Täter mit Naziparolen der Tierschänderei gebrüstet.
Während die Polizei in Sachen Bürgerpark Pankow noch im dunkeln tappt, ist der Tierpark-Anschlag inzwischen aufgeklärt. Wie berichtet wurden vier Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren festgenommen und haben die Taten nach Angaben der Polizei gestanden. Sie sollen als Motiv »Langeweile« angegeben haben. Bei der Vernehmung stellte sich heraus, daß die vier Jugendlichen schon häufiger zusammen mit anderen im Tierpark waren und dort »aus Lust an sportlicher Betätigung« Vögel einfingen und auf den Boden schlugen. Der stellvertretende Tierpark-Direktor Wolfgang Grummt kann sich nun auch andere Vorfälle erklären: »Bisher haben wir es immer auf die wilden Füchse geschoben, wenn die Vögel morgens so verstört waren.« Seit dem der Anschlag bekanntgeworden ist, stehen im Tierpark die Telefone nicht mehr still. »Von der Forderung, die Täter zu erschießen über Einsperren bis zum Gesetzte verschärfen ist alles dabei«, so Grummt. Auch zahlreiche Geldspenden in der Größenordnung von zehn bis mehreren tausend Mark seien dem Tierpark angekündigt worden.
Auch die Anwohner der benachbarten Plattenbausiedlung zeigten sich gegenüber der taz sehr betroffen. Zwei junge Männer im Alter von 18 und 20 Jahren kennen die Täter persönlich. Einige gehörten den Hooligans an, aber das sei in Friedrichsfelde nichts besonderes: »Eigentlich sind die vier ganz verträgliche Typen. Nur wenn sie besoffen oder bekifft sind, kapieren die nichts mehr.« Ihre Namen wollten die beiden Gesprächspartner, von denen sich einer als Sympathisant der »Nationalen« und der andere als »Konservativer« bezeichnete, »aus Angst vor Racheaktionen« lieber nicht nennen. »Eigentlich müßte man mit denen das gleiche machen, was die mit den Tieren gemacht haben: die Eier abschneiden«, sagte der 20jährige. Daß Jugendliche nachts in den Tierpark kletterten, käme hin und wieder, »aber insgesamt sehr selten« vor. Konkret bekannt ist ihnen nur, daß die Hängebauchschweine einmal aus dem Käfig gehoben und freigelassen worden seien. »Aber das war Spaß.« Daß man sich aus »Frust« an wehrlosen Kreaturen austobt, will dem 18jährigen nicht in den Kopf, der sich als Typ beschreibt, der sich auf sein Auto — wenn er eins hätte — hinten drauf kleben würde: »Ich bremse auch für Tiere.« Ob sie sich auch so aufregen würden, wenn ein ausländischer Mitbürger zusammengeschlagen wird? »Wir sind prinzipiell gegen jede Form von Gewalt«, lautet die Antwort. Und wenn sich die Ausländer »nicht ordentlich benehmen« sei das nicht ihre Sache, sondern ein Fall für die Polizei.
Ein 47jähriger Gast, der in einer Kneipe am Spielautomat sitzt, berichtet, daß ihn die Empörung im Kiez über den Anschlag tief erschüttert hat. Der Vorfall sei sehr schlimm: »Aber wenn ein Vietnamese das Opfer gewesen wäre, hätte man sich nicht so darüber aufgeregt.« plu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen