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Down bei den Pawlow Dogs

Gregor Gysi auf dem heißen Stuhl, Dienstag, 22Uhr, RTLplus  ■ Von Manfred Riepe

„Das war damals, Herr Neufang“, beruhigt der Moderator den Kettenhund, der tut, wie ihm befohlen. Herr Neufang ist Steuerberater, hat eine ekelhafte Fresse und knurrt Herrn Gysi wegen dessen politischer Vergangenheit an. Aufgrund der semi- naßforschen Bemühungen des Moderators Olaf Kracht könnte man den Eindruck gewinnen, er rufe die Streitenden zur Sachlichkeit auf. Das Gegenteil ist der Fall: „Das ist mir jetzt zu detailliert“, unterbricht der Moderator Gysi ein andermal, als dieser sich erdreistet, tatsächlich Zahlen und Hintergründe zu benennen — Dinge, die ein RTLplus-Zuschauer sich ohnehin nicht merken kann und soll.

Es geht nicht darum, die eine oder andere Partei zu verteidigen. Wer sich frewillig auf diesen — als „heiß“ nur bezeichneten — Stuhl setzt, ist selbst schuld. Die Hetzmeute, die hinter den Stehpulten auf Kommando wütend mit den Füßen scharrt, ist ohnehin zumeist zu dumpf, um den Diskutanden auf dem Stuhl in ernstliche Bedrängnis zu bringen. Die Modalitäten sind so gewählt, daß sie einer platonischen Dialogstruktur nicht gerade förderlich sind. Statt dessen soll man sich vor der Glotze wünschen, daß die Streitenden doch die Ärmel hochkrempeln und „zur Sache kommen“. Da jedoch genau das nicht geschieht, entspricht das von Sendungen wie „Explosiv“ provozierte Reiz-Reaktions-Schema auf der verbalen Ebene dem der folgenden Soft-Sex-Exploiter: Alles ist nur ein verwerfliches als ob. Ergebnis: Glotzen statt reden.

Auch der eingeladene Mob der Studiogäste wirkt exakt so synthetisch wie der in der Zwei-Minuten- Haß-Sendung aus „1984“. Im Gegensatz zu Orwells kleinkarierter Studie über totalitäre Autorität machen die Leute bei „Explosiv“ allerdings freiwillig mit. Freiwillig lassen sie sich zu Pawlow Dogs machen (was einen ermutigen sollte, über den gerade von rechten Politikern so gehegten Begriff der „Freiwilligkeit“ nachzudenken).

In diesem Zusammenhang mutet es wie purer Zynismus an, wenn Gysi einem außerparlamentarischen „Komitee für Gerechtigkeit“ das Wort redet — und seine Forderungen nach Basisdemokratie durch den Rahmen, in den er sich begibt, unmittelbar wieder verrät:

Demokratie beginnt dort, wo man RTLplus boykottiert.

Sicher, Herr Gysi ist ein Rhethoriker mit guten Returns. Interessanter wäre es jedoch gewesen, wenn er auch in den beiden Werbeblöcken aufgetaucht wäre. Die beiden geschminkten Gestalten, die am „Ikea“-Frühstückstisch „Jacobs Night and Day“ trinken, hätte es sicher auch zu überzeugen gegolten. Viel Gefühl für Kaffee.

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