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Mit der Rostlaube nach Hause

■ Russen verlassen Ost-Berlin: In Karlshorst leben noch etwa 400 Offiziere

Karlshorst. Es ist Umzugszeit im Ostberliner Stadtteil Karlshorst. »Zu verkaufen, Preis nach Vereinbarung« — auf dem Zettel am roten »Lada« vor der Post ist noch eine Telefonnummer angegeben. Den knappen Text verstehen die Interessenten auch ohne Dolmetscher. Schwieriger ist es für sie, einen Treffpunkt auszuhandeln. Denn die Kunden sind Offiziere der abziehenden russischen Streitkräfte, sie sprechen meist nur wenig Deutsch. Doch der Wagen sowjetischer Bauart hat bald seinen Besitzer gewechselt.

In Karlshorst leben unweit der GUS-Garnison noch etwa 400 Offiziersfamilien, die bis Ende 1994 Deutschland verlassen müssen. »Wer sich rechtzeitig um ein eigenes Auto kümmert, kann mehr mit nach Hause nehmen, als der rostbraune Container faßt, der jedem Haushalt zur Übersiedlung zusteht«, erzählt der 40jährige Grigori. Er unterbricht nur kurz seine Arbeit am neuen, alten »Lada«. Die Zeit drängt, der Abreisetermin steht schon fest.

Abend für Abend wird bis zum Einbruch der Dunkelheit auf Straßen und Höfen gewerkelt, um die meist billig erworbenen fahrbaren Untersätze aufzumöbeln. Die Palette reicht vom Auto sowjetischer Bauart bis zu ausrangierten Bussen und Lastkraftwagen deutscher Firmen. Über Preise wird nur hinter vorgehaltener Hand geredet, aber einen »Lada« samt Anhänger kann man mit etwas Glück schon für 2.000 Mark bekommen.

Ob die Militärs von den Technik- Vorschriften in Deutschland überhaupt eine Ahnung haben, ist zweifelhaft. Laster mit dem Ostberliner Kennzeichen I, die seit Juli nicht mehr zugelassen sind, werden »bearbeitet«. Kurios mutet auch ein Camping-Anhänger an, der das gleiche Kennzeichen wie der davor geparkte »Wolga«-Kombi trägt. So manch einer dürfte vom Verkäufer glatt über den Tisch gezogen worden sein.

Gründliche Arbeit tut not, soll das Fahrzeug Tausende Kilometer durchhalten. Grigoris Improvisations-Kunst scheinen kaum Grenzen gesetzt: »Aus zwei mach eins.« In den Höfen türmen sich denn auch ausgeschlachtete Wracks. Findigkeit beweisen manche Neubesitzer auch beim Treibstoff. Es muß nicht unbedingt Super sein. Von Militärlastern in der Dunkelheit abgezapfter Sprit tut es offensichtlich auch, wenn der Motor ausgetauscht wurde.

Beim Verstauen von Hab und Gut helfen viele Familien, sie geben Ratschläge, packen mit an. Die wenigen wertvollen, zu DM-Zeiten erworbenen Dinge, wie Fernseher, Hi-Fi- Anlage und Kühltruhe, müssen sicher transportiert werden. Wer das schafft, gehört zu den Privilegierten. Nachts setzen sich dann ganze Wagenkolonnen Richtung Osten in Bewegung. Im Konvoi ist es sicherer. »Ich werde das Auto zu Hause verkaufen«, sagt Grigori. »Das Benzin ist ohnehin knapp. Und weder ich noch meine Frau wissen, ob wir eine Arbeit finden. Da zählt jede Kopeke.« dpa/taz

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