: Der Weg zur ibero-amerikanischen Gemeinschaft
Der II. Ibero-amerikanische Gipfel in Madrid will die politische und ökonomische Zusammenarbeit verstärken/ Prinzipien der Marktliberalisierung und der Demokratie beschworen/ Vier fehlten, und einer war nicht einverstanden ■ Aus Madrid Antje Bauer
Der Donnerstag war dem Angenehmen, den Gruppenfotos und den Fensterreden, gewidmet. Am Freitag, dem zweiten und letzten Tag des II.Ibero-amerikanischen Gipfels in Madrid, wurde Tacheles geredet — hinter verschlossenen Türen. Der Gipfel, an dem 17 lateinamerikanische Regierungschefs, der portugiesische Premierminister Cavaco Silva und sein spanischer Kollege Gonzalez sowie als Gastgeber der König Juan Carlos teilnahmen, soll weiter ausfeilen, was im vergangenen Jahr im mexikanischen Guadalajara eingeleitet worden war: den Aufbau einer lateinamerikanischen Gemeinschaft und einer Intensivierung der Beziehung mit Europa, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet. Spanien und — in geringerem Maße — Portugal als den alten Kolonialmächten und „Mutterländern“ kommt dabei die Rolle des Brückenkopfes zu. Die spanische Regierung hat Brasilien einen Kredit in Höhe von 3 Milliarden Dollar und Uruguay einen Kredit in Höhe von 300 Millionen Dollar zugesagt. Darüber hinaus wird sich Spanien finanziell an den Kooperationsabkommen beteiligen, die auf dem Gipfel verabschiedet werden, und den Satelliten „Hispasat“ finanzieren, der drei Stunden täglich in Amerika ausstrahlen soll.
Was die Erwartungen bezüglich Europa angeht, herrschte zwischen den Rednern am ersten Tag des Gipfels weitgehend Einigkeit. Mehrere Regierungschefs, wie etwa der Chilene Patricio Aylwin, der Ecuadorianer Rodrigo Borja und der Panamese Guillermo Endara, wiesen darauf hin, daß ohne wirtschaftliche Entwicklung kein sozialer Fortschritt und kein Friede möglich sei. Es wurde kritisiert, daß die lateinamerikanischen Länder ihre Märkte öffnen, während andererseits der Westen zunehmend zu protektionistischen Maßnahmen Zuflucht nimmt. Daß sich Lateinamerika der Marktwirtschaft verschreiben muß, schien bei den Regierungsoberhäuptern — mit Ausnahme Fidel Castros — einhellige Meinung zu sein, und auf diesem Weg wurden sie von dem Spanier Gonzalez ermutigt, der seinen Untertanen vor zwei Tagen mittels Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 15 Prozent und rückwirkend gültigen Steuererhöhungen einen Crashkurs im Gürtelengerschnallen verpaßt hat. Die Grundsatzerklärung, die gestern abend verabschiedet werden sollte, beinhaltet eine Verpflichtungserklärung der Unterzeichner gegenüber der „repräsentativen Demokratie“ (ein Seitenschlag auf Fidel Castro) und Respektierung der Menschenrechte als Pfeiler der zu gründenden Gemeinschaft. Sie enthält eine vorsichtig formulierte Kritik an der Schuldenlast der lateinamerikanischen Länder. Die Realität Lateinamerikas wurde an den leeren Sitzen der Tagung deutlich: Der kolumbianische Regierungschef Gaviria hatte wegen der Flucht des Drogenbosses Escobar nicht kommen können, Fujimori war durch die Offensive des peruanischen Sendero Luminoso verhindert, Venezuelas Staatschef Perez hatte das Parlament die Reise verweigert.
Daß der Weg der Demokratisierung und der Marktwirtschaft nicht so gerade ist, wie hier darzustellen versucht wurde, machten die verschiedenen Gegengipfel deutlich, die in diesen Tagen in Madrid unter Beteiligung von Indios und Basisgruppen stattfinden, sowie ein Aufruf von amnesty international, die „Mauer des Schweigens“ über die Menschenrechtsverletzungen in lateinamerikanischen Staaten zu brechen.
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