piwik no script img

Erich Honecker kommt — aber wann?

Moskau/Bonn (dpa) — Erich Honecker muß das Gelände der chilenischen Botschaft in Moskau schon bald verlassen — nur der genaue Zeitpunkt ist noch unklar. Das versicherten der Sprecher des russischen Außenministeriums, Sergej Jastrschembski, und Chiles Außenminister Enrique Silva Cimma gestern. Honecker werde den deutschen Behörden übergeben, betonte Silva Cimma in Madrid. „Honecker wird unbedingt das Territorium der Botschaft verlassen“, bekräftigte Jastrschembski in Moskau. „Wir hoffen, daß die Problemlösung nicht mehr weit entfernt ist“, sagte er.

Der Bundesregierung lagen am Freitag „keine neuen konkreten Hinweise“ zum Thema Honecker vor. Niemand könne gegenwärtig einen Zeitpunkt für seine Rückkehr nennen, sagte Regierungssprecher Dieter Vogel in Bonn. Chiles Vize-Außenminister Edmundo Vargas schloß sich dem Hinweis von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) an, der von „sichtbarer Bewegung“ bei der Lösung des Falls Honecker gesprochen hatte. Außenminister Silva fügte am Freitag hinzu, eine Einigung über die Modalitäten sei aber nicht vor diesem Sonntag möglich.

Derzeit verhandelt der chilenische Unterhändler James Holger im Fall Honecker „mit allen interessierten Stellen“. Nach Informationen der Bild-Zeitung wollte Holger Honecker noch gestern mitteilen, er könne nicht länger Gast der Botschaft bleiben. Gegen Honecker liegt in Deutschland ein Haftbefehl wegen Totschlags in 49 Fällen im Zusammenhang mit dem Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze vor.

Honecker-Anwalt Friedrich Wolff konnte gestern Vermutungen, der 79jährige werde möglicherweise schon am Wochenende, spätestens am 1. August zurückkehren, nicht bestätigen. Wolff sagte, Frau Honecker habe ihm telefonisch mitgeteilt, in der Botschaft habe in den vergangenen Tagen „niemand“ mit ihrem Mann darüber gesprochen. Der 79jährige lehne eine Rückkehr nach wie vor kategorisch ab.

Die Bild-Zeitung berichtete von einer „Geheimvereinbarung“ zur Lösung des Falles. Seit vergangenen Samstag habe eine deutsch-russisch- chilenische Arbeitsgruppe über die Rückführung des 79jährigen verhandelt. Am Mittwoch sei der Durchbruch erzielt worden. Laut Bild wird Unterhändler Holger Honecker mit der Begründung das Gastrecht aufkündigen, daß dessen Bedingungen für die freiwillige Rückkehr nach Deutschland erfüllt seien. Deutsche Behörden sollen Holger per Ehrenwort versichert haben, daß Honecker Haftverschonung bekomme.

Der Berliner Generalstaatsanwalt Dieter Neumann sagte, Honecker würde bei einer Rücküberstellung schnellstmöglich einem Richter zur Verkündung seines Haftbefehls vorgeführt. Bei der Verkündung des Haftbefehls hätte Honecker die Möglichkeit, einen Antrag auf Haftverschonung zu stellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen