: Das ZEN des Bogenschießens
■ Der Sport, der das Feuer an, die Seele ruhig und den Rücken gerade macht
Gleich wird der Sheriff von Nottingham aus dem Gebüsch preschenFoto: skai
Ein alter Sport kam am Samstag bei der Eröffnung der olympischen Spiele zu neuen Ehren: Ein Bogenschütze schoß mit einem brennenden Pfeil über 60 Meter Entfernung das olympische Feuer an. Auch in Bremen und Niedersachsen wird diese Kunst von etwa 3.000 Aktiven betrieben, nur die Bögen sehen etwas anders aus als zu Robin Hoods Zeiten — allerlei technische Raffinessen sind ihnen anmontiert und gewährleisten bessere Stabilität und größere Zielgenauigkeit. Sie „vergleichmäßigen“, wie Profis sagen, „den Pfeilreflex“; doch früher wie heute gilt: „Du mußt mit dem Bogen eins sein“. So sagt es Gisela Treichel, mehrfache niedersächsische Vize-Landesmeisterin von der Bogensport———
hierhin bitte
die Bogenschützin
Abteilung des Schützenvereins Daulsen bei Verden.
Dreimal pro Woche treffen sich etwa 15 bis 20 Vereinsmitglieder — darunter nur zwei Frauen — und trainieren für Meisterschaften und Einladungsturniere. Dort gilt es, möglichst oft „ins Gold“, also in die Mitte zu treffen und Punkte zu sammeln. Nach sechs Schüssen heißt es Pfeile holen - auf einem Turnier legen die BogenschützInnen mehrere Kilometer hinter sich.
„Du stehst da und kämpfst gegen dich selbst“, das ist für Gisela Treichel der Reiz dieses Sports. „Wenn etwas schief läuft, kannst du es auf niemand anderen schieben.“ Aber mit Kampf allein ist es nicht getan: „Wenn die Seele nicht stimmt, kannst du auch nicht gut schießen“, so Treichel. Die kleinste Muffeligkeit schlägt sich auf die Treffsicherheit nieder — an einem schlechten Tag packen die BogenschützInnen ihren Bogen lieber wieder ein. Erzwingen läßt sich nichts.
Auf dem Schießplatz, wo auch einige Kinder schon mitmachen, heißt es Disziplin üben: Niemand darf sich vor der Schußlinie aufhalten, wenn noch geschossen wird, und wer mal „aus Spaß“ mit dem Pfeil auf jemand anders zielt, holt sich einen heftigen Anpfiff. Denn wenn die Sportpfeile auch nicht sehr spitz sind, so können sie doch einen Menschen töten.
„Der normale Gewehrsport ist mir viel zu simpel“, erklärt ein Daulsener Bogenschütze. „Hier wird mehr verlangt — es gibt keinerlei Hilfsmittel, sondern nur deine Konzentration und dein Können.“ Und das wird geübt durch den immerselben Bewegungsablauf — Bogen ausrichten, vorspannen, Bogen ansetzen, spannen, „in den Anker gehen“, zielen, Pfeil lösen. Immer und immer wieder.
Zur Kunst des ZEN wird das japanische Bogenschießen, das „Kyodo“ gezählt: Das Schießen selbst wird da zur Nebensache auf dem Weg zur Erleuchtung. In japanischen Bogenschulen werden die Schüler bis zu fünf Jahre lang trocken ausgebildet, bevor sie ihren ersten Schuß abgeben. Und das macht die wahren japanischen Großmeister — die, die einen Pfeil spalten und Kerzen in dunklen Räumen ausschießen können. Als Überbleibsel alter Kriegs„kunst“ wird in Japan übrigens auch das „Yambosani“ betreiben, wo die Schützen ihr Ziel vom galoppierenden Pferd aus treffen müssen.
Sollte Ihnen demnächst im Wald eine Gruppe mit Pfeil und Bogen begegnen, so ist sie vermutlich auf dem Weg zum „Feldbogenschießen“ — dabei gilt es, auf einem festgelegten Parcours quer durch den Wald mehreren Schießscheiben mit einem Durchmesser von 20 bis 80 Zentimetern hinterherzujagen. „Das ist eigentlich eine Vorübung zum Jagdschießen“, sagt Hans-Dieter Linke, Bogenschütze und Verkäufer in einem Bogensport-Geschäft.
Doch im Gegensatz zu den USA ist hier das Jagen mit Pfeil und Bogen streng verboten. Immer wieder kommen aber auch hier Männer auf die Idee, in Amerika mal den Bär abzuschießen: „Solchen Leuten“, so Linke, „verkaufe ich nicht einen Pfeil.“ Auch im Feldbogenschießen gibt es Weltmeisterschaften — auf Scheiben, versteht sich — und im Weitschießen wurde mit einem Spezialbogen ein Pfeil bereits auf die Weltrekordweite von 1118 Metern geschossen.
Rekord-Ambitionen treiben allerdings nicht alle BogenschützInnen des Schützenvereins Daulsen: „Ich bin hier, weil man mir das Bogenschießen mal in der Kur für meinen Rücken verschrieben hat — wegen der guten Haltung.“ Susanne Kaiser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen