: Im Zeichen der Erdbeere
■ Ein „Europäisches Künstlersymposion“ beim Oldenburger Kultursommer
Die Liege mit gestreiftem Bettuch und Blümchenkissen ist kein Kunstobjekt, sondern dient als profane Schlafstätte. Einer der zwölf Kunstschaffenden, die eine Woche lang in einem umfunktionierten Partyzelt auf der Suche nach einer „Europäischen Idee“ sind, übernachtet freiwillig zwischen den Arbeiten seiner Kolleginnen und Kollegen.
Künstlersymposien haben Tradition im Oldenburger Kultursommer. Mit den Ergebnissen von den drei prominent besetzten Bildhauertreffen, die seit 1977 veranstaltet wurden, hat die Stadt ihr Erscheinungsbild ziemlich bereichern können.
Im Vordergrund des diesjährigen Symposions steht nun aber nicht das Ergebnis, sondern eine Idee, die im städtischen Kulturamt ausgetüfelt wurde: „Europa“ als Leitgedanke ist nicht gerade originell, mit der Umsetzung aber wurde Neuland betreten.
Je eine Künstlerin oder ein Künstler aus den Oldenburger Partnerstädten in Dänemark, Holland, Frankreich und Rußland wurden eingeladen, eine Woche lang zusammen mit sieben Frauen und Männern der Oldenburger Szene und einem Rügener in einem „offenen Atelier“, nämlich dem Partyzelt, zusammen zu arbeiten und — zwangsläufig - zu kommunizieren.
Der Malerin Elke Kristiansen aus dem dänischen Taastrup sieht man die Anstrengungen der Halbzeit an. Sonst arbeitet sie, wie die meisten, in ihrem abgeschirmten Atelier. Jetzt sieht sie sich mitten zwischen Malende, Zeichnende, an Installationen Werkelnde, auch mal an einer Schreibmaschine tippende Kreative aller Kunstgattungen plaziert. Dann sind da noch die Besucher, die der Einladung zum „offenen Atelier“ zwar nicht in Strömen, aber doch in aufmerksam beobachtenden Kleingruppen folgen und durch das nach allen Seiten geöffnete Zelt schlendern.
Neben dem freundlichen und schweigsamen Lak Bumi, der aus dem russischen Machatschkala kommt, Malen als Meditaton begreift und seine strahlend-monochromen Bilder mit der Frontseite zur Zeltwand versteckt, hämmert der Oldenburger Installations- Künstler Joachim Seimfeld an einen Floß, mit dem er irgendwann auf dem Flüßchen Haaren unweit des Zelts fortschippern will.
Überhaupt die Grünanlage, auf der das Zelt aufgebaut ist: Sie dient nicht nur als Fluchtraum, wenn das Zusammensein im Zelt zwischendurch als belastend empfunden wird. Hier setzen die Objektemacher und Installationsbastler ihre Spuren in das Gras. Mit etwas gutem Willen und reichlich Fantasie lassen sich die kleinen Laternen, Wanderstäbe und ein Vogelkäfig sich durchaus „europäisch“ deuten.
Wer nicht auf Anhieb kapiert, warum Erdbeere und Rucksack die beiden Symbole des Symposions sind, bekommt von der allgegenwärtigen Betreuerin Hedwig Vavra vom Oldenburger Kulturamt immerhin den entscheidenden Tip: „Strawberry Fields Forever“. Karin Güthlein (dpa)
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