: Nur das Schlimmste verhindern
■ Ein Sommerschlußverkaufsplaner über die ausgetüftelte Gestaltung des Chaos
Erster Tag des Sommerschlußverkaufs. „Und du willst mein bester Freund sein?“ Zwei Männer zanken vor den poppigen Seidenhemden. Eine alte Frau fängt fast an zu weinen, als sie mit einem schicken Sommerrock über dem Arm schon wieder an der falschen Kasse gelandet ist: „Ich bin doch schon so viel gelaufen“.
Ganz oben aber, im 5. Obergeschoß, dort, wo keine KundInnen Zutritt haben, herrscht eine angenehm gelassene Atmosphäre. Die Sommerschlußverkaufs-PlanerInnen haben ihre Arbeit getan. Hans-Georg Schriever-Abeln, Schauwerbeleiter bei Karstadt in Bremen und verantwortlich für die Dekoration der acht Schaufenster, holt der Reporterin zuliebe die schon zerknitterten Planungsbogen wieder aus dem Papierkorb.
„Meine Hektik ist vorbei“, sagt er, „in dem Moment, wo Montag morgens die Ladentür zum Schlußverkauf aufgeht, lehne ich mich zurück.“
Die Planung der Werbestrategie für den Sommerschlußverkauf läuft schon Monate vorher. Mal gehts nach Themen (Herrenstrickmode, Damenoberkleidung), mal wird nach Farben (Blau-Gelb, Rot-Weiß, Schwarz- Grün) gegliedert, und dieses Jahr, ganz revolutionär, nach Preisen (neun Mark, 19 Mark, 29 Ma...).
30 Abteilungen listen auf, was sie unter die Leute zu schleudern haben. Schriever-Abeln nimmt die Angebote entgegen: „Aus dem, was kommt, muß ich die Fenster machen.“ Das vorausgeplante Werbekonzept muß also offen für alles sein, zum Beispiel für den unglaublichen, aber eingetretenen Fall eines superheißen Sommers. Mäntel, Kostüme, Anzüge, warme Ware, bei der eine Umsatzeinbuße bis zu 60 Prozent entstanden ist — sie können nun unter den gestaffelten Preisschildern genauso gut hängen wie sonst Bikinis, Netzhemden, Tops.
„Unsere dekorations-ästhetischen Ansprüche sind beim Sommerschlußverkauf nicht hoch. Ich versuche nur, das Schlimmste zu verhindern...“ — Das Schlimmste? — „Das absolute Chaos! Daß niemand mehr was findet! Sommerschlußverkaufsplanung, das ist nichts anderes als die Suche nach einem Ordnungsprinzip. Jede Abteilung bekommt ihre Stände zugewiesen. Und unsere Hausdruckerei druckt die Plakate und Preistafeln.“
Für die Ausschilderung und Hängung der Preistafeln werden Aushilfskräfte eingestellt. Die Dekoration aber kann von dem normalen Angestelltenkontingent bewältigt werden. Die Generallinie des Werbekonzepts, samt mitgeliefertem Material, wird eh von der Hauptverwaltung für das Bundesgebiet einheitlich ausgegeben.
„Mein Herz hängt nicht am Sommerschlußverkauf. Da ist kein Platz für Kreativität“, sagt Schriever- Abeln, „das alles ist kühle Strategie, sachlich und im Rahmen der Gesetze.“
Als da sind? Kein Vorher-Nachher- Preisvergleich im Schaufenster (wohl aber im Laden selbst). Keine Mogelei mit Beginn und Ende der Sommerschlußverkaufszeit. Kein Schmu mit Reduzierungsangaben („bis zu 70 Prozent reduziert“ heißt: mindestens 20 Prozent aller Waren müssen tatsächlich um 70 Prozent reduziert sein).
Und während die Kundinnen gleich morgens um neun den Laden gestürmt haben („die Kunden der ersten Stunde holen sich die Sonderangebote, egal was“), während in der Schnäppchenecke auch unter Übrigbleibseln des letzten und vorletzten Sommers gewühlt wird und das ganze Kaufhaus brummt und surrt, denkt Schriever-Abeln schon an die Herbstkollektion: „Letztes Jahr hatten wir was mit Blumen...“ Cornelia Kurth
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