: Serben legen Gebietsansprüche vor
■ Das „Parlament der serbischen Republik von Bosnien-Herzegowina“ zeigt auf, wo künftige Grenzen eines eigenständigen Staates verlaufen sollen, und beansprucht erstmals Zugang zum Mittelmeer
Belgrad (AFP) — Einen Tag vor Beginn einer neuen Runde von EG-vermittelten Friedensgesprächen für Bosnien-Herzegowina haben die Führer der Serben ihre Gebietsansprüche in Bosnien konkretisiert. Wie die Belgrader Tageszeitung Vecernje Novosti am Sonntag abend berichtete, sagte Serbenführer Radovan Karadzic auf einer Sitzung des „Parlaments der serbischen Republik von Bosnien-Herzegowina“ in Jahorina bei Sarajevo, die Serben stünden „im Begriff, die angestrebte Gründung eines eigenständigen Staates auf dem Boden des früheren Bosnien-Herzegowina zu vollziehen“. Auf der Sitzung dieses selbsternannten „Parlaments“ wurden dann auch die Grenzen der angestrebten „serbischen Republik“ festgelegt.
Danach sollen die Grenzen der „Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina“ im Westen entlang des Una-Flußes verlaufen. Im Norden soll die Sava die Grenze bilden. Im Osten ist ein Serben-Gebiet bis an die Staatsgrenze des „Neuen Jugoslawien“ (Serbien und Montenegro) geplant. Die von Serbien festgelegten Grenzen der neuen „Republik“ entsprechen weitgehend dem augenblicklichen Territorium Bosnien- Herzegowinas. Dagegen waren die genauen Eckpunkte einer Südgrenze wegen kroatischenr Ansprüche in der Herzegowina noch nicht ganz klar.
Erstmals beanspruchten die Serben in Bosnien-Herzegowina auch einen direkten Zugang zum Mittelmeer. Im Süden sollte das Gebiet „streckenweise an Kroatien grenzen“, da die serbische Republik „über eine historische Verbindung zum Meer“ verfügte, hieß es nach der Parlamentssitzung. Dabei blieb unklar, ob der Zugang zum Mittelmeer in der Herzegowina um den Ort Neum (zu 87 Prozent von Kroaten bewohnt) oder in Kroatien in der Umgebung von Dubrovnik erreicht werden sollte. Die Vertreter der Serben einigten sich allerdings darauf, die Grenzen nach „ethnischen, nicht nach historischen Gesichtspunkten“ festzulegen.
Während das „Parlament der serbischen Republik“ noch tagte, setzten serbische Extremisten ihre Angriffe gegen die bosnische Hauptstadt Sarajevo unvermindert fort. Gestern früh seien wieder alle Stadtteile beschossen worden, hieß es bei Radio Zagreb. Über mögliche Opfer wurde allerdings nichts bekannt. Auch in anderen Teilen des Landes kam es zu Gefechten. Heftige Zusammenstöße der serbischen und kroatisch-moslemischen Einheiten wurden aus Gradacac in Nordbosnien sowie Bugojno, 100 Kilometer westlich von Sarajevo, gemeldet.
Erneut zugespitzt hat sich die Lage in der herzegowinischen Provinzhauptstadt Mostar, etwa 120 Kilometer südwestlich von Sarajevo. In der östlichen Umgebung der Stadt, die seit mehr als einem Monat unter Kontrolle kroatisch-moslemischer Truppen ist, haben sich die serbischen Einheiten neu formiert. Am Sonntag war es im Raum Mostar bereits zu ersten Gefechten gekommen.
Die Positionen der Konfliktparteien stehen sich weiter unversöhnlich gegenüber. Dies haben gestern, vor Beginn der von der EG vermittelten Londoner Gespräche, der Führer der Serben in Bosnien-Herzegowina, Radovan Karadzic, und der bosnische Außenminister Haris Silajdzic noch einmal bekräftigt. Für die kroatische Seite sollte Mate Boban an den am Abend beginnenden Verhandlungen teilnehmen. Der bosnische Präsident Alija Izetbegovic hatte zuvor dem EG-Vermittler Lord Carrington mitgeteilt, Silajdzic habe kein Verhandlungsmandat, sondern solle lediglich die derzeitige Situation schildern.
Karadzic sagte vor der Presse, Ziel der neuen Gesprächsrunde sei es, zu „einer Trennung der drei gegensätzlichen Gemeinschaften“ zu gelangen. Er schlug vor, die UN- Blauhelme sollten eine grüne Grenze zwischen den Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina ziehen. Der moslemischen Seite warf der Serbenführer vor, ungeachtet der Waffenstillstandsvereinbarung vom 17. Juli noch „Zehntausende Serben“ gefangenzuhalten. Silajdzic beschuldigte dagegen die Serben, 100.000 Zivilisten in „Konzentrationslagern“ festzuhalten. Der serbische Wunsch einer Trennung beweise den „fehlenden Respekt vor den diplomatischen Bemühungen“. Silajdzic warf den Serben vor, die Verhandlungen „als Deckmantel“ für eine blutige Expansionspolitik zu benutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen