Ausländische Azubis in Hamburg unerwünscht?

■ Über 57 Prozent der nicht-deutschen LehrstellenbewerberInnen haben zum 1. August noch keine Lehrstelle / DAG: "Ein Skandal"

haben zum 1. August noch keine Lehrstelle / DAG: »Ein Skandal«

Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) schlägt Alarm: Obwohl viele Unternehmen öffentlich darüber jammern, daß sie keine geeigneten Auszubildenden finden, und obwohl zum 1. August noch immer 6000 Lehrstellen in Hamburg unbesetzt sind, weigern sich zahlreiche Betriebe, ausländische Jugendliche einzustellen. Und das, obwohl diese in der Regel eine ausreichende Qualifikation besitzen. Für Hamburgs DAG-Jugendleiter Giovanni Sciurba „ein Skandal“.

Alle Welt redet vom grenzenlosen EG-Binnenmarkt, trotzdem gibt es offenbar immer noch LehrstellenbewerberInnen zweiter Klasse. Eine offizielle Statistik belegt, daß beispielsweise im vergangenen Jahr im kundenträchtigen Bankgewerbe oder in der Versicherungsbranche nur 20 beziehungsweise 34 ausländische Auszubildende beschäftigt waren. Und das waren laut DAG Ausbildungsverhältnisse für „Edelausländer“, zustande gekommen aufgrund von Beziehungen.

Für die DAG ist das ausländerfeindliche Verhalten vieler Betriebe völlig irrational. Die Folge: Von den derzeit 1788 ausländischen LehrstellenbewerberInnen sind immer noch 1024 unversorgt, obwohl 815 von ihnen immerhin einen Haupt-, Real- oder höheren Schulabschluß vorweisen können. So sind derzeit allein 61,2 Prozent der ausländischen RealschulabsolventInnen noch ohne Ausbildungsplatz. Sciurba: „Wenn der Schulabschluß keine Rolle mehr spielt, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.“

Dabei wollen sich auch ausländische Jugendliche mit „deutscher Qualifikation“ „marktgerecht“ verhalten und streben oftmals einen kaufmännischen Beruf an. Wenn dieser Weg versperrt ist, bleibt ihnen, so Sciurba, oft nur die „Flucht in Notberufe“ wie Friseuse, Bäcker oder Fleischer. „Das, was ihre Eltern gemacht haben, sollen sie jetzt auch lernen“, bemängelt der DAGler. „In einer Dienstleistungsstadt wie Hamburg Bäcker zu lernen ist aber kein vernünftiges Verhalten.“ Hinzu kommt laut DAG, daß ausländische Jugendliche oft in berufliche Qualifikationsmaßnahmen abgeschoben werden, in denen sich viele einfach unterfordert fühlten.

Die DAG fordert die großen Betriebe auf umzudenken. Denn der Ausländeranteil der Jugendlichen werde in den nächsten Jahren stetig zunehmen. Nach Zahlen des Bundesbildungsministeriums wuchs der Ausländeranteil in Hamburg an den Hauptschulen bereits auf 33 Prozent, an Real- und Gesamtschulen sind es immerhin 20 Prozent. Sciurba: „Es stünde einer Bank oder Versicherung gut an, Ausländer zu nehmen.“ Und daß trotz des Pflegenotstands kaum Ausländer in der Krankenpflege beschäftigt sind, stimmt die DAG skeptisch.

Kritik im Zusammenhang mit der hanseatischen Lehrstellenpolitik übt die DAG an der Handelskammer, da diese zuwenig auf die Betriebe einwirke. So könnten zum Beispiel Lehrstellen-Annoncen so abgefaßt werden, daß ausländische BewerberInnen „ausdrücklich erwünscht“ seien. „Das ist ein wich-

1tiger psychologischer Aspekt. Wenn man einmal das Gefühl hat, nicht genommen zu werden, weil man Ausländer ist, dann kann das zu einem schwerwiegenden Problem werden“, so Sciurba.

Das Arbeitsamt konnte die DAG-Angaben gestern nicht bestä-

1tigen. Ein Überblick über die Situation auf dem Lehrstellenmarkt sei erst zum 1. August möglich. Arbeitsamts-Sprecherin Anja Eisenhut: „Viele Bewerber, die einen Ausbildungsplatz gefunden haben, haben sich noch nicht abgemeldet.“ Kai von Appen