: LKW-Hilfskonvoi erreicht Sarajevo
Sarajevo/London (AP/taz) — Die Eröffnung des Landkorridors nach Sarajevo, neue heftige Kämpfe in der Herzegowina, das voraussichtliche Scheitern der Londoner Friedensgespräche — mit diesen Ereignissen ist der Bosnienkrieg in den sechsten Monat gegangen.
In London kam der portugiesische EG-Unterhändler Jose Cutileiro am Mittwoch zum wiederholten Male zu getrennten Unterredungen mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, dem moslemischen Außenminister Haris Siladzjic und dem kroatischen Politiker Mate Boban zusammen. Doch während Boban und Karadzic ihre Bereitschaft, direkt miteinander zu verhandeln, erklärten, lehnte Siladzjic dies mit dem Hinweis auf die andauernden Kämpfe ab. Die Moslems wollten sich nicht zu einer Übereinkunft drängen lassen, während im serbisch belagerten Gorazde 75.000 Menschen dem Hungertod nahe seien.
Die Europäische Gemeinschaft wollte die Friedensgespräche jedoch noch nicht für gescheitert erklären. EG-Diplomat Adrian Bedford sagte, die Standpunkte der Konfliktparteien seien „nicht unvereinbar“.
Im westlichen Teil der Herzegowina flammten in der Nacht zum Mittwoch wieder heftige Kämpfe auf. Die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug berichtete, kroatische Einheiten hätten serbische Stellungen in der Nähe der Stadt Mostar mit schwerer Artillerie angegriffen. In dieser Gegend überschneiden sich die Gebietsansprüche von Serben und Kroaten. Nach Berichten von Radio Sarajevo ist am Mittwoch mittag der seit langem geplante „Landkorridor“ von der kroatischen Adriastadt Split nach Sarajevo errichtet worden: 21 Lastwagen erreichten mit 226 Tonnen Hilfsgütern die eingeschlossene Stadt.
Im Alter von 63 Jahren ist am Dienstag in Belgrad der frühere Führer der Serben in Kroatien, Jovan Raskovic, gestorben. Raskovic hatte 1990 in der Stadt Knin die Serbische Demokratische Partei gegründet; unter seiner Führung begannen die in Kroatien lebenden Serben, sich gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der damals noch zu Jugoslawien gehörenden Republik Kroatien aufzulehnen. Obwohl der Serbenführer sich zunächst für eine politische Lösung des Konflikts zwischen Serben und Kroaten einsetzte und einen Krieg verhindern wollte, widersetzte er sich einer Bewaffnung der in Kroatien lebenden Serben nicht. Aus dem Widerstand der Serben gegen die kroatischen Behörden entwickelte sich nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens im Juni 1991 ein Krieg, bei dem laut Schätzungen 10.000 Menschen ihr Leben verloren. An die Stelle von Raskovic war zu dieser Zeit bereits Milan Babic getreten, ehemals Bürgermeister von Knin und ein Vertrauter des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic.
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