: Spenden für Bosnien in den Moscheen
Viele AraberInnen solidarisieren sich mit den moslemischen Opfern des Krieges auf dem Balkan ■ Aus Kairo Ivesa Lübben
„Die christliche Welt will keinen moslemischen Staat mitten in Europa. Sie massakriert die Moslems und zerstört die Moscheen, um damit alle Spuren des Islam in Europa zu beseitigen“, schrieb Mohammed Maschhur, stellvertretender Führer der ägyptischen Moslembrüder, in der Wochenzeitung Al-Schaab. In einem Spendenaufruf der Kairoer Ingenieursvereinigung für die Bürgerkriegsopfer in Bosnien heißt es: „Wacht auf, Mosleme der Welt. Die ,Neue Weltordnung‘ will euch zur Aufgabe eures Glauben zwingen.“
Sammeln für Sarajevo
Überall in Ägypten sammeln islamische Organisationen, Solidaritätskomitees in den Moscheen und die weitgehend islamistisch dominierten Berufsgenossenschaften Spenden für die Eingekesselten in Sarajevo. Vor der Zentrale der Ärztevereinigung stehen die Menschen täglich Schlange, um Geld für die moslemischen Brüder und Schwestern im ehemaligen Jugoslawien zu spenden. „In den ersten sechs Wochen haben wir über zwei Millionen ägyptische Pfund (ca. 1 Million DM) gesammelt“, erklärt Dr. Mustapha Ibrahim von der „Human Relief Agency“, einer von der ägyptische Ärztevereinigung vor fünf Jahren zur humanitären Unterstützung des afghanischen Widerstandes ins Leben gerufenen Hilfsorganisation. Sie hat inzwischen Ärzte als Freiwillige nach Bosnien gesandt und in Zagreb ein Büro für ihre Solidaritätskampagne eröffnet. „Doch das genügt nicht. Die bosnische Führung hat uns um 50 Millionen Dollar gebeten. Wir könnten viel mehr Leute erreichen, wenn wir nicht von den staatlichen Medien boykottiert würden.“
Was vor knapp zwei Jahren mit dem Golfkrieg begann, findet nach Auffassung der meisten Mosleme mit der Belagerung von Sarajevo seine Fortsetzung. Für sie ist der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien kein ethnisch-nationaler Konflikt, sondern Teil des Kreuzzugs des Westens gegen die islamische Welt. Anders als im Golfkrieg herrscht diesmal weitgehend Einigkeit zwischen Regierungen und Oppositionsbewegungen. Gleichwohl versuchten regierungnahe Institutionen in Ägypten wiederholt, die Kampagnen der Opposition zu diesem Thema zu behindern, weil sie vor allem den Islamisten keine Chance zur öffentlichen Profilierung geben wollen.
Der ägyptische Außenminister Amro Musa forderte vor kurzem auf dem außerordentlichen Außenministertreffen der „Islamischen Konferenz“ in Istanbul die internationale Staatengemeinschaft auf, Rumpfjugoslawien jede staatliche Anerkennung zu verweigern, solange die Serben nicht bereit sind, die Souveränität Bosniens anzuerkennen. Kairo ging mit gutem Beispiel voran und brach sämtliche Beziehungen zu Belgrad ab. An der Stationierung von UN-Friedenstruppen zum Schutz des Flughafens Sarajevo beteiligte sich Ägypten mit 400 Soldaten.
Fahd: Bosnien befreien
Der saudische König Fahd forderte bei einer Unterredung mit Vertretern des US-State-Departments, Truppen zur Befreiung Bosniens in den Balkan zu entsenden. Die Saudis erklärten sich nach der Befreiung Kuwaits ein weiteres Mal bereit, die Kosten zu übernehmen, und zwar diesmal in voller Höhe. Die Amerikaner könnten damit ihr angeschlagenes Image in der arabischen Welt wieder aufpolieren, versuchten sie den Amerikanern die Angelegenheit schmackhaft zu machen. Doch die wimmelten ab — Bosnien sei eine innereuropäische Angelegenheit — und suchten die Saudis erneut für die Unterstützung eines Coups gegen Saddam Hussein zugewinnen. „Beide Seiten redeten gegen taube Ohren: Die Saudis über Bosnien und die Amerikaner über den Sturz von Saddam“, berichtet die Zeitung October aus Riyadh.
Trotzdem werfen viele Araber ihren Regierungen vor, sich nur hinter der Untätigkeit des Westens zu verstecken. „Sie geben einige wenige Erklärungen ab und machen noch weniger Geld für ihre moslemischen Brüder und Schwestern locker, die ermordet, vergewaltigt und vertrieben werden“, schrieb Hassan Ragab in der regierungsnahen Kairoer Zeitung Al-Akhbar. „Warum stellen sie sich nicht an die Spitze eines Friedensmarsches nach Sarajevo? Dem würden sich Kräfte aus der ganzen Welt anschließen, Moslems, Christen, Buddhisten. Kein Serbe würde sich ihnen entgegenstellen. Aber unseren Herrschern ist die Hitze außerhalb ihrer klimatisierten Paläste offenbar unerträglich.“ Scheich Ghazali, eine der einflußreichsten islamischen Persönlichkeiten Ägyptens, fordert, die „Tür des Jihad“ für junge Moslems zu öffnen. Sarajevo solle ein zweites Afghanistan werden. Dort kämpften in den achtziger Jahren Tausende arabischer Freiwilliger mit den Mujahedin gegen die sowjetisch gestützte Zentralregierung.
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