: Symbolische Gegenoffensive
■ Im Scheinwerferlicht der Presse fallen großzügige Gesten leichter. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat bekam zwar Hilfen in Millionenhöhe. Zurückgewiesen wurden gestern in Genf jedoch erneut die deutschen...
Symbolische Gegenoffensive Im Scheinwerferlicht der Presse fallen großzügige Gesten leichter. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat bekam zwar Hilfen in Millionenhöhe. Zurückgewiesen wurden gestern in Genf jedoch erneut die deutschen Vorschläge zur erweiterten Aufnahme von Flüchtlingen.
Deutschland ist innerhalb der EG völlig isoliert.“ Die knappe Feststellung von Baronin Chalker, getroffen bereits zur Mittagspause, faßte das Ergebnis der gestrigen Genfer Flüchtlingskonferenz treffend zusammen. Zumindest das politische Ergebnis — mit dem die britische „Ministerin für Übersee- Entwicklung“ denn auch sichtlich zufrieden war. Finanziell wurden dem veranstaltenden UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) bis zum Redaktionsschluß dieser Zeilen am Nachmittag aus dem Kreis der 37 Teilnehmerstaaten immerhin Zusagen in Höhe von 66 Millionen US-Dollar gemacht. Also just die Summe, die Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata noch fehlte in ihrer bereits Anfang Mai dringend erbetenen 142 Millionen Dollar zur Versorgung der Flüchtlinge.
Warum nicht gleich so? Aber offensichtlich fallen finanzielle Zusagen im Scheinwerferlicht der Medien aus aller Welt leichter. „Wenn's denn nur eine erfolgreiche Geldsammelei war, war's schon ein gutes Konferenzergebnis“, gab sich Österreichs Außenminister Alois Mock zufrieden.
Nicht so Bundesinnenminister Rudolf Seiters und Außenamtsstaatssekretär Dieter Kastrup. Sie bestätigten die isolierte Position Deutschlands unter den Zwölf, was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, und bezeichneten die britische Haltung als „besonders hart“. Die von Kanzler Kohl in einem Brief an die elf Partnerländer vorgeschlagene Vereinbarung von „Kontingenten“ wurde von deren Genfer RegierungsvertreterInnen erneut zurückgewiesen. Nicht einmal Zusagen für die symbolische Aufnahme von einigen wenigen Flüchtlingen wurden auf den Tisch gelegt. Lediglich Seiters gab eine Vereinbarung mit den Bundesländern zur Aufnahme von weiteren 5.000 Flüchtlingen bekannt. Die Abschaffung der in der Vergangenheit nicht zuletzt von Österreich kritisierten Visapflicht lehnte Seiters allerdings ab. Das sei „ein falsches Signal sowohl an den Balkan wie auch an die westlichen Partner“.
Aufnahmekapazität vor Ort „völlig erschöpft“
Unterstützung für Bonns Forderung nach Aufnahmekontingenten signalisierten lediglich Österreich und die Schweiz. Seiters und Kastrup zeigten sich dennoch vorsichtig optimistisch, daß „sich die Haltung der EG- Partner angesichts der Entwicklungen in Ex-Jugoslawien in nächster Zeit verändern“ werde. Zwar stimme man grundsätzlich dem von London, Paris, Rom oder Den Haag hochgehaltenen Prinzip zu, wonach Vertriebene möglichst innerhalb Ex- Jugoslawiens Zuflucht gewährt werden soll, um die serbische Vertreibungspolitik nicht zu unterstützen. Doch sei die Aufnahmekapazität Kroatiens, Sloweniens und Bosniens „völlig erschöpft“. Die beiden deutschen Politiker stützten diese Einschätzung auf Gespräche, die sie am Rande der Konferenz mit den Außeministern bzw. Vizepremiers dieser drei Staaten führten. Den Ministerpräsidenten von Ex-Jugoslawien — das von der EG nicht anerkannt worden ist — trafen Seiters und Kastrup nicht. Aus Protest gegen Panics Auftritt verließen sie während dessen Rede vor der Konferenz den Verhandlungssaal.
Auch dem Argument der EG- Partner, daß die Flüchtlinge, wenn schon nicht in Ex-Jugoslawien, dann doch wenigstens „in der Nähe“ Zuflucht finden sollten, stimmten Seiters und Kastrup „im Prinzip“ zu. Doch da auch die Unterbringungsmöglichkeiten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz „an ihre Grenzen“ stießen, gebe es keine Alternative zu einer Aufnahme durch andere Staaten. Seiters nutzte das internationale Forum, um deutsche Innenpolitik zu betreiben; gerade wer mehr Platz für Kriegsflüchtlinge fordere, müsse „endlich der Änderung des Asylparagraphen im Grundgesetz zustimmen“. Nur diese Maßnahme schaffe die „notwendige Entlastung“.
Am Abend sollte aus den 37 Konferenzstaaten ein kleinerer Ausschuß gebildet werden, der „in den nächsten Wochen“ auf der Basis der gestern gehaltenen Reden konkrete Maßnahmen vereinbaren soll. Ob sich neben der Bundesrepublik Deutschland sowie — voraussichtlich — Österreich und die Schweiz auch von der Kriegsregion entfernter liegende Staaten an dem Ausschuß beteiligen werden, war bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe noch offen. Andreas Zumach, Genf
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