: Kirchengemeinden retten Flüchtlinge
■ »Asyl in der Kirche« und »SOS Rassismus« holten 27 Bosniaken jenseits der Quote nach, weitere sollen folgen/ Viel Hilfe für Flüchtlinge in Weißensee
Berlin. Gestern morgen um fünf Uhr trafen sie völlig erschöpft in der Kreuzberger Kirchengemeinde Zum Heiligen Kreuz ein: 27 Muslime aus Bosnien-Herzegowina, die dem dortigen Genozid entronnen waren. Der Arbeitskreis »Asyl in der Kirche« und »SOS Rassismus« hatte die zuletzt in Österreich Gestrandeten, die in der Bundesrepublik Verwandte haben, mit einem gecharterten Bus hierher gebracht. Einige von ihnen waren vorher an der deutschen Grenze mit dem »Argument« zurückgewiesen worden, sie seien doch Touristen und hätten als solche nicht genügend Geld dabei. Nun werden sie in fünf evangelischen und katholischen Gemeinden im Berliner Raum untergebracht. Die InitiatorInnen kündigten jedoch an, auf privatem Wege noch mehr Flüchtlinge jenseits der offiziellen Quote aus dem Kriegsgebiet zu retten. »Hilfe ist schlicht und einfach Christenpflicht«, so Pfarrer Peter Storck.
Pfarrer Jürgen Quandt und Heidi Bischoff-Pflanz von »SOS Rassismus« befanden, »daß es sich angesichts des barbarischen Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien verbietet, überhaupt über Aufnahmequoten und Visa zu reden«. Die endlich abzuschaffende Visumspflicht stelle nicht nur »für die Flüchtlinge selbst, sondern auch für hilfsbereite Menschen eine schwer zu überwindende Barriere dar.« Denn wer über die Quote hinaus ihm namentlich bekannte Menschen herholen will, muß mit allen möglichen Unterlagen nachweisen, daß er diese selbst versorgen kann, bis dann die Ausländerbehörde einem deutschen Konsulat in der Region grünes Licht für die Ausstellung eines Visums gibt. Auch im Falle der 27 Neuankömmlinge dauerte dieses Verfahren wochenlang. »Die Ausländerbehörde hat uns jeden Tag neue Hindernisse in den Weg gelegt«, berichtete Frau Bischoff-Pflanz. Die InitiatorInnen der Rettungsaktion forderten außerdem einen besonderen Status für Kriegsflüchtlinge ohne Zeitbegrenzung des Aufenthalts. Außerdem wollen sie ein »Netzwerk der Hilfe« schaffen — auch für jene, die Flüchtlinge privat aufnehmen wollen. Denn diejenigen, die helfen wollten, seien dazu angesichts der bürokratischen Schwierigkeiten oft nicht in der Lage, so Hanns Thöma-Venske von »Asyl in der Kirche«.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft erfahren aber auch die 146 Bosniaken, die in einer Übergangseinrichtung in Weißensee untergebracht wurden. Joachim Kanitz, der Sozialstadtrat dieses Bezirks, zeigte sich davon bei einer Pressekonferenz »geradezu überwältigt«. Andauernd reichen BerlinerInnen Kleidung, Spielzeug und Obst über den Zaun. Und als die Flüchtlinge den Wunsch nach einer Satellitenanlage äußerten, um Fernsehbilder aus ihrer Heimat zu empfangen, kamen am Tag darauf schon die Techniker, um eine zu installieren — gestiftet von einer Firma. Willkommen sind immer noch kleine Weltempfängerradios.
Wiewohl sie nur aus einfachen Wohncontainern mit relativ kleinen Mehrbettzimmern besteht, macht die Unterkunft einen freundlichen Eindruck. Alte Frauen und Männer sitzen im Freien und trinken Kaffee, auf dem Spielplatz, der gerade hergerichtet wird, lernen die Kinder wieder das Lachen.
Die Vermittlung in Privatquartiere über das eingerichtete »Bürgertelefon« (Tel. 8500593) laufe indes »zögerlicher als erwartet«, berichtete Sozialstaatssekretär Armin Tschoepe. Unter anderem wegen des Sprachproblems und auch deshalb, weil viele nur ein Kind oder ein bis zwei Personen aufnehmen wollten, in Weißensee aber ganze Familien leben. Ute Scheub
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