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DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAU DR. MONIKA ZUM SOMMERLOCH

Haben Sie es auch schon vermißt, das alljährliche Sommerloch? Trotz parlamentarischer Sommerpause und Hitzerekorden von 35 Grad — es taucht einfach nicht mehr auf.

Andere Löcher wie das Ozonloch oder das Haushaltsloch und selbst die undefinierbaren schwarzen im All haben es glatt verdrängt. Vorbei die Zeiten, als die Redakteure bei Fernsehen und Hörfunk in den Sommerwochen händeringend in ihren Stuben saßen und auf die großen Ereignisse warteten, von denen sie sich Rettung vor dem Untergang in das bedrohlich näherrückende Sommerloch versprachen.

Erinnern Sie sich noch an das gigantische Loch im letzten Jahr? Die ersten, die es dingfest machen konnten, waren einige findige Redakteure beim SFB. Noch bevor es die Hauptstadt erreichen konnte, schickten sie einen Trupp bezahlter Helfer in die nord- und ostdeutschen Kornfelder. Die trampelten in den lauen Sommernächten solange kreisförmig auf ihm herum, bis es in der Versenkung verschwand. Nur leider muß es ein anderes Loch mit in die Tiefe gerissen haben, denn seit dieser Zeit ist auch sein Kollege Loch Ness mitsamt seinem Ungeheuer Nessie nicht mehr aufgetaucht. Das war natürlich bedauerlich, denn auf ein gern gesehenes Monster wollte keiner verzichten.

Doch dieses Mal kam die Rettung nicht vom SFB, sondern vom amerikanischen Präsidenten persönlich. Als Ersatz für Nessie hat er rechtzeitig ein anderes beliebtes Ungeheuer wieder aus dem Hut gezaubert: „The bagdad bully“ Saddam Hussein. Endlich ist er wieder da, der „brutale Kerl, Schläger, Maulheld, Zuhälter“, so die Übersetzung von „bully“ aus „Langenscheids Handwörterbuch Englisch“. Schuftig und gemein, wie wir ihn kennen, hat er gleich über seinen Lieblingssender CNN zurückgeschlagen.

„Schurken, Schufte, Halunken und niedrige primitive Leute“ hätten sich die UN-Waffenstillstandsresolution ausgedacht, ließ er verlauten und, um allen zu zeigen, daß er weiter obenauf ist, begab er sich medienwirksam zu einem historischen Gedächtnisschwimmen in die Fluten des Tigris.

In seinem Staatsfernsehen setzte er dem ganzen Spektakel noch eines drauf und machte sich nach Strich und Faden über die UN-Inspektoren in Bagdad lustig. Er zeigte seinem Volk, wie die Halunken auf allen Vieren auf dem Boden kriechen und unter Stühlen, Tischen und in den Papierkörben nach Belastungsmaterial suchen.

Der gelungene Coup der Amerikaner hat auch hierzulande dazu geführt, die schon seit längerer Zeit andauernde Monsterjagd zu intensivieren. Prompt zur Wochenhalbzeit konnte man dann stolz die Trophäe präsentieren: Rechtzeitig zu seiner Lieblingssendung „Tagesschau“ brachte die Aeroflot den fiesen Erich zurück nach Deutschland.

Wie im richtigen Film gab es vorher noch eine dramatische Verfolgungsjagd in Moskau. Mit 160 Sachen bretzelten Honni, KGB und Journalisten-Pulks durch die russische Hauptstadt.

Tja, damit dürfte neben dem Sommerloch auch Nessie endgültig vertrieben sein. Und wir haben mal wieder gezeigt, daß wir den Amis nicht kampflos das Spielfeld überlassen.

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