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Turner jammern

■ Dem vierten Platz folgt die Schuldzuweisung an die Ossis

Barcelona (dpa) — Die deutschen Turner standen im Abseits. „Es war nicht unser Tag“, sagte der 27jährige Sven Tippelt. Nach dem dritten WM- Platz von 1991 hatte die Mannschaft mit Silber geliebäugelt, Bronze war das Minimalziel. Doch als abgerechnet wurde, stand der WM-Dritte Deutschland hinter dem Team aus der GUS, China und dem WM-Vierten Japan nur auf dem vierten Platz.

Nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit des Leistungszentrums Kienbaum hatte die einstige Medaillenschmiede der DDR im Turnen erstmals keine Impulse ausgelöst, die sich in Medaillen auszahlten — auch vor Barcelona wurden die deutschen Turner dort getrimmt. DTB- Sportdirektor Eduard Friedrich konstatierte nach der Enttäuschung: „Mit solch schwachen Leistungen am Boden und beim Sprung sind die Japaner nicht einzuholen.“

„Mir scheint, daß das neue westliche Leben einigen Ossis nicht bekommt, sie hatten Probleme mit den Nerven“, stellte Friedrich fest. Er verlangt neue originelle Teile in den Turnübungen, um damit Japaner, Weißrussen und Russen entgegenzutreten. Denn es wird schwerer, in Zukunft an die Medaillen zu kommen, weil aus dem ehemaligen Sowjetreich bald mehrere starke Turnteams starten dürfen. „Auch an den Ukrainern wird so schnell keiner vorbeikommen“, befürchtet Friedrich. Ob Leonid Arkajew als „Meistermacher“ der früheren UdSSR im Deutschen Turner-Bund (DTB) Entwicklungshilfe leisten könnte, muß wegen des Risikos gut bedacht werden, meinte Friedrich.

In einer Nacht langer Diskussionen wurde kritisch überprüft, wie der Rückstand von 9,875 Punkten auf die GUS, 4,800 auf China und 2,675 auf Japan zustande gekommen war. Vor allem der Leistungsabfall gegenüber den Japanern, die bei der WM 1991 noch mit 1,200 Zählern abgehängt wurden, machte nachdenklich. Aber nur Meister Andreas Wecker und der ursprüngliche Ersatzmann Oliver Walther besaßen am Ende Olympia- Format, mit kleinen „Hängern“ auch noch Routinier Sylvio Kroll als Sprung-Finalist. Dieses Trio kämpft am Freitag um die Mehrkampf-Medaillen.

„Medaille — ja. Wieviele? Det sach ick nich“, zeigte sich Wecker prinzipiell optimistisch. Mit 116,875 hatte er hinter Witali Scherbo (117,875), Walerie Belenki (117,500) und Mehrkampf-Weltmeister Grigori Missutin (alle GUS — 116,975) auf den vierten Platz katapultiert hatte. „Er ist top drauf“, freute sich Wecker-Trainer Landgraf. Wecker ist in derart bestechender Form, daß er sich auch noch für fünf Geräte-Finals am Sonntag qualifizieren kann.

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