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Keine Sehnsucht nach Deutschland

■ CDU, FDP und SPD fordern Rückkehr Margot Honeckers nach Deutschland/ Berliner Staatsanwaltschaft sieht aber keine juristisch relevanten Anschuldigungen gegen ehemalige First Lady der DDR

Berlin (ap/dpa/taz) — Die frühere First Lady der DDR, Margot Honecker, hat gute Chancen, ihren Lebensabend — unangefochten von der deutschen Justiz — bei Tochter Sonja in Chile zu verbringen. Alle anderslautenden Erwartungen bundesdeutscher Politiker dämpfte gestern Staatsanwalt Christoph Schaefgen, Leiter der Berliner Arbeitsgruppe Regierungskriminalität: An eine Anklage gegen die ehemalige Volksbildungsministerin sei „im Moment überhaupt nicht zu denken“. Die bislang gegen Margot Honecker vorgebrachten Anschuldigungen seien juristisch nicht relevant. Die gegen Frau Honecker vorliegenden Anzeigen enhielten lediglich „recht unsubstantiierte Vorwürfe“. Seine Behörde, so Schaefgen, habe derzeit „keinen rechten Ansatzpunkt, um in Ermittlungen einsteigen zu können“.

Ungeachtet dessen forderten gestern Politiker von CDU, FDP und SPD die Rückkehr der Ex-Ministerin. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Horst Eylmann, erklärte, „es wird Zeit, daß sich auch Margot Honecker ihrer Verantwortung als führende Politikerin der untergegangenen DDR stellt“. Als „sehr schäbig“ wertete es der verheiratete CDU-Rechtspolitiker, daß Frau Honecker ihren Mann in einer so schwierigen Situation allein lasse.

Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Kleinert, forderte die Berliner Staatsanwaltschaft auf, ihre Ermittlungen gegen Margot Honecker zu verstärken. Die 65jährige trage politische Mitverantwortung für die Unrechtstaten des DDR-Regimes. Kleinert nannte die Mitgliedschaft im Zentralkomitee, die Zeit als Bildungsministerin und ihre Funktion als „First Lady der DDR“. Zwar versäumte Kleinert, die strafrechtliche Relevanz dieser Tatbestände zu erläutern; doch müsse die Bundesregierung — falls ein Haftbefehl erwirkt werden könne — einen Auslieferungsantrag an Chile stellen.

Der SPD-Innenexperte Willfried Penner vertrat die Auffassung, Margot Honecker solle sich freiwillig der deutschen Justiz stellen. „Auch wenn die politische Luft einmal dünner geworden ist“, so Penner, könne man das von einer ehemaligen Ministerin erwarten.

Die ehemalige Ministerin, deren Flugzeug erst einmal wegen Nebels nach Argentinien umgeleitet wurde, bleibt weiter uneinsichtig: „Es zieht mich nicht nach Deutschland, das ist nicht mehr mein Land.“ Heimweh habe sie nicht, zumal Deutschland eine Entwicklung genommen habe, die es noch einmal bereuen werde.

Unterdessen sitzt Ehemann Erich weiterhin im Krankenhaustrakt der Haftanstalt Berlin-Moabit. Das Gericht werde Honecker noch einmal durch Sachverständige auf seine Haft- und Verhandlungsfähigkeit untersuchen lassen, erklärte der zuständige Richter Hansgeorg Bräutigam. Ein Antrag auf Haftverschonung durch die Verteidigung wird nächste Woche erwartet.

Die Berliner Justiz hat unterdessen den Vorwurf des Honecker-Verteidigers Friedrich Wolff zurückgewiesen, daß bei der Bestellung Bräutigams zum Richter für Erich Honecker manipuliert worden sei. Zwar habe es im April 1992 eine neue Geschäftsaufteilung am Landgericht Berlin gegeben, erklärte Justizsprecher Bruno Rautenberg. Von einer Manipulation, um das Verfahren einem bestimmten Richter zu geben, könne jedoch keine Rede sein.

Der Prozeß gegen Honecker und fünf weitere DDR-Verantwortliche wegen der Todesschüsse, Selbstschußanlagen und Minen an der innerdeutschen Grenze wird nach Auffassung Bräutigams frühestens Ende Oktober beginnen. Das wiederum hinderte den CDU-Bundestagsabgeordneten Heinrich Lummer nicht daran, schon jetzt mit einem originellen Urteilsvorschlag an die Öffentlichkeit zu treten: Lummer fordert — noch indirekt — die Todesstrafe für Honecker. Begründung: In der DDR seien Tötungsdelikte, die „heimtückisch oder in besonders brutaler Weise“ begangen wurden, mit der Todesstrafe geahndet worden. Es sei, so Lummer, „unlogisch, das alte DDR-Strafrecht nur dort anzuwenden, wo es milder als das bundesdeutsche Strafrecht ist“.

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