: Es bleibt nur Porno
■ Düstere Prognosen für Bildschirmtext-Anbieter
Berlin (dpa) — Zwölf Jahre schon dauert der erfolglose Versuch, den Bildschirmtext (Btx) in Deutschland als Massenkommunikationsmittel zu etablieren. Der Kunde sollte auf seiner Telefonleitung mittels eines Adapters gewünschte Informationen auf seinen Fernsehschirm holen. Doch nur wenige haben sich von den neuen Möglichkeiten verführen lassen. Bislang hat sich keine der optimistischen Prognosen erfüllt. Von den einst für das Jahr 1995 anvisierten acht Millionen Nutzern dieses Dienstes ist die Telekom heute meilenweit entfernt: Nur rund 320.000 Teilnehmer werden nominell geführt.
Der Rückzug des wichtigsten Anbieters auf diesem Markt, der Btx Südwest Datenbank GmbH Stuttgart, ist ein Paukenschlag und facht die Diskussion um die Fortsetzung des Dienstes erst richtig an. Geschäftsführer Peter Mahnkopf begründete den Entschluß mit den in Deutschland herrschenden Rahmenbedingungen. „Ich glaube nach wie vor an dieses Medium, doch es gibt hierzulande zu viele Widerstände, gegen die wir auf Dauer nicht mehr ankamen.“
Mit der Südwest Datenbank verschwindet das Filetstück, der „Qualitätscontainer“ des deutschen Btx- Angebots, vom Markt. Ein Pessimist der Branche sieht voraus: „Jetzt bleibt nur noch Porno und das elektronische Telefonbuch, das sowieso keiner will.“ Der zentrale Vorwurf der Kritiker des deutschen Btx- Systems lautet, daß es sich nur an der Technologie und nie am Markt orientiert habe. Das System sei bedienungsfreundlich, das Angebot zusehends verwildert und die rechtlichen Rahmenbedingungen seien eine Katastrophe. „Wie erfolgreiche Systeme im Ausland zeigen, erwartet der private Nutzer ein homogenes und durchgängig hochwertiges Anwendungspaket mit deutlich erkennbarem Gebrauchsnutzen. In der gegenwärtigen Rechtslage kann die Telekom ein solches Paket nicht selbst bilden und damit Btx auch nicht wirksam vermarkten“, gestand der in der Generaldirektion Telekom Verantwortliche Eric Danke die Schwäche des Systems.
Zum Jahresende droht ein neuer Schlag gegen das Btx-System, die Telekom führt neue Tarife ein. „Für die Zukunft muß die Telekom auch Btx wirtschaftlich betreiben“, begründete Danke die Pläne. Konkret bedeutet die Einführung eines Zeittaktes einschließlich der vom nächsten Jahr an erhöhten Mehrwertsteuer eine hundertprozentige Verteuerung. Btx-Südwest-Geschäftsführer Mahnkopf: „Damit ist Btx auch wirtschaftlich nicht mehr vertretbar.“
Wie die Zukunft der interaktiven Bildschirmdienste aussehen kann, zeigt die VideoTel Infoservice GmbH & Co. KG, eine gemeinsame Tochter des Axel-Springer-Verlages und der Telekom. Diese Firma investiert nicht in Btx, sondern entwickeln mit VideoTel einen neuen interaktiven Informationsdienst für private Haushalte. Wie Prodigy — ein auf Konsumenten und damit den Massenmarkt ausgerichteter Service in den USA — zeigt, ist für ein solches Projekt erhebliches Marktpotential vorhanden. Prodigy erreichte dort bereits knapp zwei Jahre nach Markteinführung über eine Million Teilnehmer. Hannes Bahrmann
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