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Ärzte auf dem Kriegspfad

■ Mit militaristischem Vokabular wird mobil gemacht

„Seit Kriegsende hat es nicht mehr eine solche Unruhe gegeben.“ Was eher wie eine zutreffende Charakterisierung der internationalen Politik seit dem Ende des Kalten Krieges erscheint, gilt seit dem Wochenende für die bundesdeutschen Kassenärzte. Auf ihrer Kölner Versammlung jedenfalls gerieten die Heilkundler mit Kassenanschluß, denen Bundesminister Seehofer einen Beitrag zur Sanierung des Gesundheitswesens abverlangen möchte, erstmals so richtig außer Rand und Band: Die Mediziner wähnen sich im Kriegszustand. Und wie immer bei eskalierenden Konflikten kommt die „Kriegserklärung“ vom Gegner — als sei die derzeit amtierende Bundesregierung, ohnehin schon heillos in die Konfrontation mit deutschem Osten und katholischer Kirche verstrickt, ernstlich willens, noch eine weitere Front zu eröffnen.

Doch aufgeschreckt von der Aussicht auf Honorarzuwächse, die sich künftig nur noch an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren, schwingen die Kassenärzte den Äskulapstab. Archaische Ängste brechen sich Bahn: „Das Malus- System“, so ein Delegierter, „ist der Beißknochen, den man uns hinwirft, um uns dann von hinten zu kastrieren.“ Eine „Zerstörung des deutschen Gesundheitswesens“ jedenfalls wird die deutsche Ärzteschaft nicht kampflos hinnehmen. Das „Arzt-Patienten-Verhältnis“ müsse „intensiv genutzt werden“, um die Bonner Reform-Provokationen mit „flächendeckenden, politisch wirksamen Maßnahmen“ zurückzuweisen. Schließlich habe sich, so Kassenarzt-Vize Schaefer, nicht einmal eine SPD-Regierung je zu „solchen Schweinereien“ hinreißen lassen, „wie diese Regierung sie uns bisher zugemutet hat“. Doch die „Offensive in den Sprech- und Wartezimmern“, die „politische Mobilisierung der Patienten“, ist seit Köln beschlossene Sache. Gesucht wird noch der „geeignete Heerführer“ für den bevorstehenden Feldzug — mit Approbation, versteht sich. taz

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