KOMMENTAR
: Zickzackkurs

■ Washingtons Auf und Ab bei der Frage einer Intervention in Bosnien

Sie waren wohl selbst erschrocken über die Geister, die sie gerufen hatten. Da bestätigt zuerst der eine Sprecher des US-Außenministeriums Augenzeugenberichte über serbische Lager, in denen muslimische und kroatische Zivilisten mißhandelt und getötet werden. Prompt wurde in der US- Presse die Erinnerung an die Konzentrationslager der Nazis wachgerufen, wurde Slobodan Milosevic als „Zweitliga-Hitler“ bezeichnet. Am nächsten Tag stellt sich der nächste Repräsentant des State Department vor die Mikrophone und sagt: War alles nicht so gemeint. Der jüngste Zickzackkurs der Bush-Administration in Sachen Jugoslawien markiert das ganze Dilemma und die Kopflosigkeit Washingtons. Letztere ist wörtlich zu nehmen: Außenminister Baker sitzt auf seiner Ranch und bereitet sich auf seinen neuen Job als Wahlkampfmanager vor; seine Sprecherin, Margret Tutwiler, ist in Urlaub — und der Rest des Personals im State Department offenbar ohne Direktiven und politische Vorgaben.

Die versuchen zur Zeit die Demokraten und Teile der Presse zu geben. Bill Clinton will notfalls militärische Gewalt anwenden, um die Versorgung Sarajevos zu gewährleisten, in den Leitartikeln der New York Times und Washington Post spricht man sich ebenfalls für militärische Intervention aus. Nur wie, wann, wo, mit welchen Soldaten und aufgrund welcher Resolutionen — das sagt keiner.

Für das zukünftige Verhalten Washingtons sind mehrere Faktoren ausschlaggebend: Erstens sind da die Militärs im Pentagon, die immer wieder beim Stichwort Intervention erschrocken die Hände hochhalten. Voraussetzung wäre die Entsendung einer enorm hohen Zahl von Soldaten und militärischem Gerät. Ein Blick in die Stuben der Staatschefs und Außenminister von Washington bis London macht den Offizieren deutlich, daß dafür jeglicher politischer Wille fehlt. Zweitens — man muß es immer wieder betonen — herrscht Wahlkampf in den USA. Man gewinnt in diesen Zeiten keine Stimmen, indem man die eigenen „boys“ an militärischen Einsätzen teilnehmen läßt, deren Sinn der eigenen Bevölkerung kaum zu vermitteln ist. Drittens erinnert man sich bei Vergleichen mit Hitler in der US-Öffentlichkeit an einen anderen Staatschef: Saddam Hussein. Gerade wurden 2.000 Marines — quasi als Drohgebärde gegenüber Bagdad — wieder in Kuwait stationiert. Im Fernsehen sah man dazu kaum Fahnenschwenken und markige Sprüche, sondern heulende Ehefrauen, Kinder und mürrische Soldaten, die ganz offen in die Kamera fragten: Warum schon wieder? Andrea Böhm, Washington