Wo Herr Wiesenthal irrt-betr.: "Wiesenthal: Auch DDR förderte Nazis", taz vom 3.8.92

betr.: „Wiesenthal: Auch DDR förderte Nazis“, taz vom 3.8.92

Herr Wiesenthal irrt — das sage ich als davongekommener Jude, der auch Mitglied des Jüdischen Runden Tisches Berlin ist — wenn er die Ex- DDR-Intellektuellen Kegel, Gerstner oder Kertzscher des eingefleischten Nazismus diffamiert. Ganz im Gegenteil war Gerhard Kegel zum Beispiel einer jener Deutschen, dessen Opfermut es mit zu verdanken ist, daß dem industriellen großdeutschen Judenmord 1944/45 ein Ende gesetzt und die Niederlage der Rassisten besiegelt werden konnte. Schon im November 1931 war Kegel zur KPD gestoßen. Auf Anweisung trat er 1935 nur deswegen der NSDAP bei, um aus dem Auswärtigen Dienst des Dritten Reiches gegen Kriegsvorbereitungen und Krieg wirken zu können. Ich ersuche hiermit als einer, der vor Abtransport nach Auschwitz gerade noch fliehen konnte, Wiesenthal, seine Beschmutzung des unbesungenen Helden Gerhard Kegel zu korrigieren (siehe auch: Kegel „In den Stürmen unseres Jahrhunderts“, Dietz Verlag, Berlin 1984).

Nun zu den anderen: Zu Recht wird den oft jahrelang hitlertreuen späteren Attentätern vom 20. Juli weder ihr ursprüngliches Versagen noch NSDAP-Mitgliedschaft angelastet. Günter Kertzscher und anderen Offizieren, Soldaten oder Zivilisten, die schließlich den Weg in die Opposition gegen das Hitlerregime fanden, dabei vielfach ihr Leben riskierten, wird vorangegangenes ähnliches Irren wie das ihrer Wehrmachtskameraden jedoch ungerechterweise vorgehalten. Das widerspricht nicht nur jeder Moral, jüdischer besonders, sondern läuft auf Geschichtsentstellung hinaus.

Ganz anders gelagert ist der Werdegang von Dr. Karl-Heinz Gerstner. Er war und ist mit einer sogenannten Halbjüdin verheiratet, die er ohne Zögern über die Nazizeit schützte. Er war der NSDAP beigetreten und hatte als Angestellter der Handelsabteilung der deutschen Botschaft in Paris in der französischen Widerstandsbewegung gegen das großdeutsche Mörderregime mit angekämpft. 1945 war er dann von Sowjetbehörden in Unkenntnis seines Wirkens gegen den Faschismus interniert worden. Seiner Frau gelang es — was damals schwierig war —, Kontakt nach Frankreich herzustellen. Gerstners französische Widerstandsfreunde erwirkten seine Freilassung. Schon allein mit Rettung seiner rassisch gefährdeten Frau hat sich Dr. Gerstner verdient gemacht, was auch Herr Wiesenthal nicht leichtfertig übersehen darf. Fritz Teppich, Berlin